Engelsleid (German Edition)
Trauzeuge dieser beide n Verliebte n zu sein. «
Sein Deutsch war ein wandfrei , mit dem typ i schen Akzent, der ihn als Italiener verriet. Interessanter w eise fehlte ihm völlig der D a ckelblick, den Laura bei diesem gehauchten bella s ignorina erwartet hätte. Wie sie die Art, mit der er sie musterte, interpreti e ren sollte, war für sie nicht klar. Am ehesten eine M i schung aus Ne u gierde und unverhohlener Anmache. So stechend , wie seine Augen sie ansahen, gewann sie jedoch sofort den Ei n druck, dass er ein harter und kompromissloser Typ war, der b e kam, was er wollte. Seinen sü d ländischen Sympathiebonus hatte er jedenfalls trotz seiner attraktiven Erscheinung soeben verschenkt. Am be s ten sie hielt ihn ein wenig auf Distanz, was nicht einfach würde, da sie beide die Trauzeugen waren.
Vielleicht tat sie ihm aber auch Unrecht und war wie so oft zu schnell dabei, ihr Gegenüber in eine Schublade zu stecken. Nun gut, sie würde ihm die Gelegenheit geben, sie davon zu überze u gen, dass auch adlige Italiener eine Lebensberechtigung hatten, gnadenhalber eine kleine, und auch nur, weil Janine heute Hoc h zeit hatte, und sie dieser nicht ihren Festtag verderben wollte und de s halb ihre Zunge im Zaum halten würde.
» Sie sind also alte Freunde, Sie und Lorenzo? « , versuchte Laura das Gespräch locker in Gang zu bringen und ihre eigene Ne u gierde zu befriedigen.
» Nun seid doch nicht so steif und duzt euch « , kritisierte Jan i ne. » Wir sind doch wie eine große Familie. «
» Gern, Ihr beiden seid also alte Freunde? « , wiederholte Laura ihre Frage.
» Sehr alte Freunde « , erwiderte Giuseppe augenzwinkernd mit Betonung auf alt . » Wir sind zusammen in die Schule gegangen. «
» Ah ja, wie Janine und ich. Was für ein Zufall. «
» Lorenzo und ich hatten uns ein wenig aus den Augen verl o ren, als er zum Arbeiten nach Deutschland ging . «
» Und wegen a more ! « , ergänzte Lorenzo und wollte Janine e i nen stürmischen Kuss auf die Lippen drücken. Diese aber drehte ihr Gesicht weg und wehrte ihn sanft ab.
» Erst dein Ja w ort! Und verschmier nicht meinen Lippe n stift. «
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und der Standesb e amte bat die V ier herein.
Als Giuseppe seinen Arm zuvorkommend Laura reichte, z ö gerte sie kurz, hängte sich dann aber doch bei ihm ein, und so betraten sie gemeinsam den kleinen Festsaal. Lauras Finger strei f ten den Anzugstoff, der sich fein und angenehm weich a n fühlte. Ganz offensichtlich ein gutes Tuch. Ein dezenter Duft erreichte ihre Nase und sie atmete so unauffällig wie möglich tiefer ein. Hmm, Sandelholz, Zitrone und andere Zutaten, insgesamt eine sportiv-herbe Mischung. Der Conte hatte wenigstens einen exze l lenten Geschmack. Zugleich regte sich aber auch ihr Widerstand. Ob er wohl sein Geld selbst verdiente oder von den finanziellen Hinterlassenschaften seiner Vorfahren lebte? Ach , verdammt, fing sie schon wieder damit an?
11
Ein attraktiver Trauzeuge
Während der Zeremonie saß Laura neben Janine, Giuseppe neben Lorenzo. Laura musste sich mächtig anstrengen, der Rede des Standesbeamten zu folgen, der von Liebe, Vertrauen und Zukunft sprach. Sie musterte Janine von der Seite, die leise schniefte. Ihr Gesichtsausdruck war vollkommen verzückt, zwischen ihren Wimpern schimmerten ein paar Tränen, die sie mit einem Stofft a schentuch vorsichtig abtupfte.
Hinter dem Beamten hing das Stadtwappen an der Wand, bu n te Farben auf geschnitztem Holz. Ansonsten waren die Wände schmucklos, in dezentem Pastellgelb gestrichen, die Decke weiß. Zwei Stuhlreihen ließen erahnen, dass zu mancher Trauung mehr Leute zuschauten, als nur die Trauzeugen. Der Standesbeamte selbst, ein korpulenter Mann um die Vierzig, saß hinter einem mächtigen Tisch, in dessen glatter Oberfläche sich die Beleuc h tung spiegelte.
Der Beamte redete dem Anlass angemessen fast so getragen wie ein Pastor und Janine schniefte gerührt. Wie lange dauerte das denn noch? Gelangweilt begann Laura mit dem Fuß zu wippen, bis ihr bewusst wurde, was sie gerade tat, also hörte sie wieder auf. Verstohlen musterte sie Giuseppes Beine, der vol l kommen ruhig da saß, beide übereinandergeschlagen, die Hände aufeina n dergelegt auf dem Oberschenkel ruhend.
Wer war dieser Giuseppe überhaupt? Janine und Lorenzo ha t ten ihn noch nie erwähnt. Naja, wenn der eine hier lebte und der andere in Italien – vermutlich hatte Lorenzo in ihrer Gege n wart einfach nicht von
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