Engelsleid (German Edition)
sie belogen hatten. Auf Ehrlichkeit und Offenheit ha t ten sie stets viel Wert gelegt.
War es denn nicht schlimm genug, dass Mama ermordet wo r den war? Dazu kamen jetzt noch diese Rätsel. Laura seufzte und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. In einer weiteren Mappe befand sich ein langer handgeschri e bener Brief.
Meine liebe Laura, wenn du diese Unterlagen liest, bin ich nicht mehr bei dir. Es gibt einiges, was ich dir verheimlicht habe, und auch jetzt kann ich nicht alle Geheimnisse lüften. Ich habe dafür meine Gründe, alles dient deinem Schutz, daher hoffe ich, du vertraust meiner Entscheidung und kannst dies akzeptieren. Ich hinterlasse dir genügend für ein sorgenfreies Leben …
Enttäuscht ließ Laura den Briefbogen auf den Tisch sinken. Um was machte ihre Mutter ein solches Geheimnis? Nichts, gar nichts erfuhr sie darüber, ob Karl nun ihr leiblicher Vater g e wesen war oder nicht, und wer der Mann auf dem Bild war, oder wieso es keinen Eintrag über die Identität ihres leiblichen Vaters in der Geburtsurkunde gab. Und was zum K u ckuck hatte es mit diesem Fotoalbum auf sich? Was war so brisant an diesen Unte r lagen und Fotos, dass ihre Mutter es für nötig befunden hatte, alles in Schließfächern zu verstecken? Das war doch läche r lich.
Lange Zeit saß Laura einfach nur da und grübelte missmutig vor sich hin, dann gab sie sich einen Ruck. Die zweite Kassette überraschte sie noch mehr. Ungläubig starrte Laura auf den Inhalt. Die Kassette war randvoll mit Geldscheinen gefüllt sowie einer Plastikschachtel, in der sich einige Schmuckstücke und kleine goldene Münzen mit einem Mädchenkopf darauf befanden.
Die gebündelten Geldscheine durch die Finger gleiten lassend, überschlug Laura, dass es sich hierbei um mindestens fünfzigta u send Euro handeln musste. Woher hatte ihre Mutter, die immer sehr sparsam gelebt hatte, so viel Geld? Dazu kam noch die L e bensversicherung, in der Laura als Alleinerbin eingetragen war.
Es gelang ihr nicht, sich über diesen unerwarteten Geldsegen zu freuen, auch wenn er ihre durch die Beerdigung geschrumpften Ersparnisse wieder auffüllte. Klare Antworten auf die vielen Fr a gen, die ihr nun durch den Kopf schwirrten, wären ihr erheblich lieber gewesen.
» Ist alles in Ordnung? « , rief der Bankangestellte ihr von der Tür aus zu.
» Ja, danke. Ich bin auch gleich fertig. «
» Kein Problem. Lassen Sie sich ruhig Zeit. «
Ein paar Minuten lang schaute Laura noch ungläubig auf den unverhofften Reichtum , dann räumte sie alles wieder in das Schließfach zurück.
Auf dem Rückweg in die Redaktion kam ihr der Gedanke, dass das Geld vielleicht der Grund für das Chaos sein könnte, das in der Wohnung ihrer Mutter geherrscht hatte . Hatte der Mörder von dem Geld gewusst und gehofft, er würde in der Wohnung einen Safe finden? Woher aber stammte es ?
Laura wurde bei dem Gedanken schwindlig und sie blieb kurz stehen. Welche Konsequenzen würde es haben, wenn sie dem Kommissar davon erzählte und sich herausstellte, dass dieses Geld illegal war, erpresst oder gestohlen ? Nein. Sie gab sich einen Ruck. Ihre Mutter war ganz bestimmt keine Verbrecherin gew e sen. Die Fantasie ging mit ihr durch. Entschuldige Mama . Das kommt davon, wenn man im Fernsehen zu oft Krimis a n schaut. Vielleicht hatte ihr Karl eine Lebensversicherung hinte r lassen und sie hatte es aus irgendeinem Grund als Bargeld geho r tet, statt es gewinnbri n gend anzule g en? Aber warum hatte sie ihrer Tochter nichts davon erzählt?
Verdammt, verdammt! Zu viele Fragen, zu viele Probleme auf einmal.
In der Redaktion angekommen fiel Lauras Blick auf einen in großen roten Buchstaben vorgenommenen Eintrag in ihrem Wandkalender. Standesamt! Oh nein! Vor lauter Stress und Tra u er hatte sie vollkommen Janines Hochzeit vergessen.
10
Die Hochzeit
Laura hatte überlegt, Janine von der Ermordung ihrer Mutter zu erzählen – ohne auf Details wie Wohnungsdurchsuchung und Erbschaft einzugehen. Aber durfte sie ihrer Freundin wirklich den schönsten Tag im Leben ruinieren? Immerhin war sie ihre Tra u zeugin und Janine hätte nur eine Möglichkeit gehabt, nämlich die ganze Hochzeit abzusagen, und das konnte Laura nicht von ihr verlangen.
Wie sollte sie die Trauung nur überstehen? Es war schon schwierig genug, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, in dem Bewusstsein, dass dort draußen ein Mörder herumlief, der w o möglich auf der Suche nach dem Geld war. Mehr als einmal war sie
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