Engelsleid (German Edition)

Passanten, an denen sie vorbeifu h ren.
    » Geht’s dir jetzt besser? « , fragte der Conte und grinste. » Du hast in der Kirche ein Gesicht wie zehn Tage Regen gemacht. Gefällt es dir denn gar nicht, wenn es feierlich zugeht? «
    » Doch, doch « , erwiderte sie und verdrehte , ihre Worte Lügen strafend , die Augen. » Aber nicht, wenn jedes Jahr zwei oder drei Hochzeiten stattfinden. Das nervt total. Und jede meiner Freu n dinnen glaubt, sie müsse ihre Hochzeit noch schöner, größer, ausgefallener gestalten. « Zur Unterstützung ihrer Aussage gab Laura ein tiefes Schnaufen von sich.
    » Cosi è la vita « , antwortete Giuseppe schulterzuckend. » Es ist doch so vorgesehen, dass wir heiraten und Kinder großziehen. Was ist daran falsch? «
    Falls dies ihre biologische Bestimmung sein sollte, so war bei ihr irgendetwas schief gegangen . Laura fühlte davon nichts, rein gar nichts. Im Gegensatz zu den meisten and e ren Frauen brach sie nicht in entzückte » Oh wie süß « -Ausrufe aus, wenn sie ein Baby im Kinderwagen erblickte. Nein, ganz im G e genteil. Sie dachte dabei nur an nächtliches Geschrei, stinkende Windeln und Trot z phasen, Kinderkrankheiten und persönliche Einschränkungen, und wenn man meinte, alles würde endlich besser und sich normalisi e ren, begann in der Regel das pubertäre Herumgezicke. Nein, das war nichts für sie. Ob sie ihre Gene weiter vererbte oder nicht, war ihr im Augenblick ziemlich egal.
    » Wie sieht es denn bei dir aus? Bist du verheiratet? «
    » Nein. «
    Ob er die Wahrheit sagte? » Kinder? «
    » Nicht, dass ich wüsste. «
    Also möglich. Wenigstens schien er in diesem Punkt halbwegs ehrlich zu sein. » Geschieden? «
    » Nein. «
    Erstaunlich, er sah doch gut genug aus, um eine Frau zu fi n den, oder war er selbst zu wählerisch? Vielleicht würde sie dies he r ausfinden. Der Abend war noch lang und sie würde sehen. Ein Abenteuer verpflichtete zu nichts und ihre angeschlagenen Gefü h le könnten ein wenig Zärtlichkeit und Leidenschaft durchaus vertr a gen.
    » Also, dann bist du zur z eit solo, oder wartet auf dich eine heißblütige, tierisch eifersüchtige Italienerin, die du uns einfach vorenthältst? «
    Giuseppe zwinkerte ihr zu und Laura hatte das Gefühl, sein Blick brenne sich tief in ihren Kopf hinein. Eine heiße Woge drohte sie zu überwältigen und ihren Verstand zu lähmen. Bilde dir bloß nichts auf deinen Charme ein!
    » No , ich bin ungebunden. Die Richtige ist mir noch nicht b e gegnet. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich dies bald ändern wird. Im Gegensatz zu dir hätte ich jedenfalls nichts gegen eine romantische Hochzeit und eine Handvoll b ambini einzuwe n den. «
    Verdammt, er meinte doch wohl nicht sie?
    » Nach einer gewissen – nennen wir es mal – Testphase. In diesem einen Punkt gebe ich dir recht « , ergänzte er mit einem übe r legenen Schmunzeln.
    Laura war nicht scharf auf eine Beziehung. Ihr Leben war auch so schon kompliziert genug. P lötzlich brach wieder die Trauer über sie herein, die sie den ga n zen Tag über unterdrückt hatte. Laura zückte aus ihrer Handtasche ein Tasche n tuch, um sich vorsichtig die Tränen abzutupfen, die sich in ihren Auge n winkeln sammelten.
    » Carissima , was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt? « , stieß Giuseppe hervor.
    Kopfschüttelnd schnäuzte sie sich. » Nein, hat nichts mit dir zu tun. «
    Er streckte die Hand aus und streichelte ihr sanft über die Wange. » Was ist los? «
    Laura holte tief Luft. » Meine Mutter ist vor ein paar Tagen g e storben. « Der Rest ging ihn nichts an.
    » Oh, scusa , das wusste ich nicht. « Seine sanfte Stimme drüc k te sein volles Mitgefühl aus.
    » Ich bin nur wegen Janine gekommen. «
    » Verstehe. Das ist sehr lieb von dir. «
    Der Wagen folgte nun einer langen Allee, von den schwar z- weißen Stämmen hoher Birken gesäumt. Laura schaute steif zum Fenster hinaus und kämpfte gegen ihre Tränen an. Immerhin war Giuseppe taktvoll genug, das Thema ruhen zu lassen. Bis sie a n kamen, hatte sie sich wieder so weit im Griff, dass es ihr gelang, mit einem Lächeln auf den Lippen auszusteigen und seinen galant angebotenen Arm anzunehmen.

12
    Italienische Verführung
     
    Die Ansprache von Vater und Schwiegervater der Braut strap a zierte Lauras Geduld ein letztes Mal. Genervt trommelte sie mit den Fingern auf ihrem Oberschenkel herum und wippte mit dem Bein. Erschrocken hielt sie mit ihrem nervösen Gezappel inne, als Giuseppe seine Hand auf die