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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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würde etwas aus ihrem Inneren herausgezogen werden. Es tat nicht weh, aber es war verwirrend. Panisch riss sie den Kopf herum, aber sie konnte nichts sehen, konnte nur das Geräusch von rutschender Haut hören, die gestreckt wurde, und etwas Knarrendes, das so klang, als würden neue Muskeln erschaffen.
    Dann kam ein plötzliches Gefühl von Schwere, als seien ihr Gewichte an die Schultern gebunden worden.
    Und dann – sah sie aus dem Augenwinkel ein gewaltiges, sich aufblähendes Weiß zu beiden Seiten von sich, und ein kollektiver Aufschrei kam von den Lippen der Engel.
    »Oh, Lucinda«, flüsterte Daniel und hielt sich eine Hand vor den Mund.
    Es war so einfach: Sie breitete ihre Flügel aus.
    Sie waren leuchtend, elastisch, unglaublich leicht, aus der feinsten, glänzendsten himmlischen Materie gemacht. Von Spitze zu Spitze maß ihre Flügelspanne vielleicht zehn Meter, aber sie fühlten sich gewaltig an, endlos. Sie verspürte keinen Schmerz mehr. Als ihre Finger sich um die Flügelwurzel hinter ihren Schultern legten, war sie mehrere Zentimeter dick und flauschig. Sie waren silbern und doch nicht silbern, wie die Oberfläche eines Spiegels. Sie waren unvorstellbar, sie waren unabdingbar.
    Es waren ihre Flügel.
    Sie enthielten jede Unze Stärke und Befähigung, die sie im Laufe der Jahrtausende, die sie gelebt hatte, gesammelt hatte. Und bei dem leisesten Hauch eines Gedankens begannen ihre Flügel zu schlagen.
    Ihr erster Gedanke: Jetzt kann ich alles tun.
    Wortlos fassten sie und Daniel einander an den Händen. Die oberen Ränder ihrer Flügel wölbten sich in eine Art Kuss vor, wie die Engelsflügel auf dem Qayom Malak. Sie weinten und lachten und schon bald küssten sie sich.
    »Also?«, fragte er.
    Sie war benommen und erstaunt – und glücklicher, als sie es je zuvor gewesen war. Es konnte unmöglich wahr sein, dachte sie – es sei denn, sie sprach die Wahrheit laut aus, mit Daniel und dem Rest der gefallenen Engel als Zeugen.
    »Ich bin Lucinda«, sagte sie. »Ich bin dein Engel.«

Siebzehn
    Die Erfindung der Liebe

    Fliegen war wie Schwimmen und Luce konnte beides gut.
    Ihre Füße hoben vom Boden ab. Kein Gedanke, keine Vorbereitung war dazu nötig. Ihre Flügel schlugen mit jäher Intuition. Wind summte gegen die Fasern ihrer Flügel und trug sie in den hauchzarten rosafarbenen Himmel. Schwebend spürte sie das Gewicht ihres Körpers, vor allem in ihren Füßen, aber das wurde von einer neuen, unvorstellbaren Beschwingtheit ausgeglichen. Sie glitt über niedrige Wolkenbänke und verursachte eine ganz leichte Störung, wie eine Brise, die durch ein Glockenspiel fährt.
    Sie sah von einer Flügelspitze zur anderen und untersuchte ihren silbrigen perlmuttartigen Glanz, voller ehrfürchtiger Scheu vor all den Veränderungen. Es war, als würde der Rest ihres Körpers sich jetzt ihren Flügeln unterwerfen. Sie reagierten auf das erste Anzeichen eines Wunsches mit eleganten Schlägen, die eine unglaubliche Geschwindigkeit schufen. Sie flachten sich wie eine Tragfläche ab, um nur durch die Schwungkraft dahinzugleiten, und zogen sich dann wieder in eine Herzform hinter ihre Schultern zurück, wenn sie sich steil nach oben schraubte.
    Ihr erster Flug.
    Nur … dass es nicht ihr erster war. Was Luce jetzt wusste, so sicher, wie ihre Flügel wussten, wie man fliegt, war, dass es bereits ein gewaltiges Früher gegeben hatte. Vor Lucinda Price, bevor ihre Seele auch nur die gekrümmte Erde je gesehen hatte. Während all ihrer Leben auf der Erde, die sie in den Verkündern gesehen hatte, all den Körpern, die sie bewohnt hatte, hatte Luce kaum die Oberfläche dessen angekratzt, wer sie war, wer sie gewesen ist. Es gab eine Geschichte, die älter als die Geschichte war, in der sie mit diesen Flügeln geschlagen hatte.
    Sie konnte sehen, dass die anderen sie vom Boden aus beobachteten. Daniels Gesicht glänzte vor Tränen. Er hatte es die ganze Zeit über gewusst. Er hatte auf sie gewartet. Sie wollte ihn berühren, wollte, dass er emporschwebte und mit ihr flog – aber dann konnte sie ihn plötzlich nicht mehr sehen.
    Das Licht wich der totalen Dunkelheit …
    Der Dunkelheit einer anderen Erinnerung, die sich Bahn brach.
    Sie schloss die Augen und ergab sich ihr, ließ sich von ihr zurücktragen. Irgendwie wusste sie, dass dies die früheste Erinnerung war, der Moment in den hintersten Winkeln ihrer Seele. Lucinda war vom Anfang des Anfangs an dabei gewesen.
    Die Bibel hatte diesen Teil ausgelassen:
    Bevor es

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