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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Heiler.«
    Luce kannte keinen Engel namens Raphael. Sie fragte sich, ob er echt war oder eine Erfindung der Kirche. »Ich, äh, habe in einem Reiseführer gelesen, dass er aus der vorklassischen Zeit stammt.« Sie warf einen verstohlenen Blick auf den dünnen Marmorsteg, der den Heiligenschein mit dem Kopf des Engels verband. »Wurde diese Skulptur nicht während der Kreuzzüge in die Kirche gebracht?«
    Der Priester hob die Arme vor die Brust, sodass die langen, weiten Ärmel seiner Robe bis zu den Ellenbogen zurückrutschten. »Sie denken an das Original. Es stand südlich von Dorsoduro in der Chiesa dei Piccoli Miracoli auf der Insel der Robben und verschwand mit der Kirche und der Insel, als beide, wie wir wissen, vor Jahrhunderten im Meer versanken.«
    »Nein.« Luce schluckte hörbar. »Das wusste ich nicht.«
    Der Blick seiner runden braunen Augen heftete sich auf ihre. »Sie müssen neu in Venedig sein«, bemerkte er. »Irgendwann zerfällt hier alles und landet im Meer. Aber eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Wie würden wir sonst so gute Kopisten werden?« Er schaute zu dem Engel auf und strich mit seinen langen braunen Fingern über den Marmorsockel. »Diese Reproduktion wurde für nur fünfzigtausend Lire in Auftrag gegeben. Ist das nicht bemerkenswert?«
    Es war nicht bemerkenswert, es war schrecklich. Der echte Heiligenschein war im Meer versunken? Jetzt würden sie ihn nie finden, sie würden nie den wahren Ort des Sturzes erfahren, sie würden nie in der Lage sein, Luzifer daran zu hindern, sie zu vernichten. Sie hatten diese Reise gerade erst begonnen, und es schien bereits, als sei alles verloren.
    Luce taumelte rückwärts und fand kaum Atem, um dem Priester zu danken. Mit einem Gefühl, bleiern und aus dem Gleichgewicht zu sein, wäre sie beinahe über den bleichen Betenden gestolpert, der ihr zornig nachblickte, als sie zur Tür eilte.
    Sobald sie die Schwelle überschritten hatte, rannte sie los. Daniel fing sie am Brunnen am Ellbogen auf. »Was ist passiert?«
    Ihr Gesicht musste alles verraten haben. Sie erzählte ihm die Geschichte und wurde mit jedem Wort mutloser. Als sie zu dem Teil kam, an dem der Priester mit der Reproduktion zum Schnäppchenpreis geprahlt hatte, rollte ihr eine Träne über die Wange.
    »Bist du sicher, dass er die Kathedrale La Chiesa dei Piccoli Miracoli genannt hat?«, hakte Daniel nach und schaute über die Piazza. »Auf der Insel der Robben?«
    »Ich bin mir sicher, Daniel, er ist weg. Er wurde auf dem Grund des Meeres begraben.«
    »Und wir werden ihn finden.«
    »Was? Wie?«
    Er hatte sie bereits an der Hand gepackt und rannte mit einem Seitenblick auf das Kirchenportal über den Platz.
    »Daniel …«
    »Du kannst doch schwimmen.«
    »Das ist nicht komisch.«
    »Nein, das ist es nicht.« Er hörte auf zu rennen und drehte sich wieder zu ihr um, hielt ihr Kinn in der Hand. Ihr Herz raste, aber sein Blick ließ alles langsamer werden. »Es ist nicht ideal, aber wenn dies die einzige Möglichkeit ist, an das Objekt heranzukommen, dann ist es eben die Möglichkeit, wie wir an das Objekt herankommen werden. Nichts kann uns aufhalten. Du weißt das. Nichts darf uns aufhalten.«

    Minuten später waren sie wieder in der Gondel und Daniel ruderte sie aufs Meer hinaus – mit jedem Schlag des Riemens trieb er sie an wie ein Motor. Sie schossen an jeder anderen Gondel im Kanal vorbei, nahmen enge Kurven um niedrige Brücken und hervorstehende Ecken von Gebäuden und bespritzten erschrockene Gesichter in benachbarten Gondeln mit Wasser.
    »Ich kenne diese Insel«, sagte Daniel, der nicht einmal außer Atem war. »Sie lag früher auf halbem Wege zwischen der Kathedrale von San Marco und der Giudecca. Aber man kann das Boot dort nirgendwo festmachen. Wir werden die Gondel verlassen müssen. Wir werden von Bord gehen und schwimmen müssen.«
    Luce schaute über den Rand der Gondel in das trübe grüne Wasser, das sich schnell unter ihr bewegte. Kein Badeanzug. Unterkühlung. Italienische Meeresungeheuer in unbekannten Schlammtiefen. Die Sitzbank der Gondel war eiskalt und das Wasser roch wie mit Abwässern gewürzter Schlick. All das schoss Luce durch den Kopf, aber als sie Daniel in die Augen sah, nahm ihre Furcht ab.
    Er brauchte sie. Sie war an seiner Seite und hinterfragte nichts.
    »Gut.«
    In der Lagune ging es chaotisch zu: Im Wasser wimmelte es von Vaporetti, die Urlauber und ihre Rollkoffer zu den Hotels brachten, Motorbooten, die von reichen, eleganten

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