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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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warst ein ziemlicher Lump, wenn wir mal ehrlich sein wollen.«
    Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen nahm Raphael das lange dünne Messer, das sie auf dem Rücken in einem für diesen Zweck in ihr langärmliges schwarzes Oberteil eingebauten Futteral mit sich zu führen pflegte. Der Stoff des Oberteils war fest genug, um den Anforderungen des Lebens einer Jägerin gerecht zu werden. »Du bist die Einzige, die mir so etwas direkt ins Gesicht sagen würde«, sagte er, während Elena sich umdrehte, damit er ihr das Messer in die Scheide stecken konnte.
    »Ach ja? Irgendwann erzähle ich dir noch, warum ich mal auf die Idee kam, ich sollte mir eigentlich das Wort Vollidiotin
auf die Stirn tätowieren lassen!« Sie drehte sich wieder zu ihm um, damit sie ihm mit beiden Händen über die nackten, unwiderstehlichen Schultern streichen konnte. »Was nur richtig gewesen wäre, denn immerhin fand ich dich damals schon unglaublich faszinierend und sexy, obgleich du mich gerade so weit gebracht hattest, mich mit meinem eigenen Messer zu verletzen! Was sagt das wohl über mich aus?«
    »Dass du eine Kriegerin bist und wusstest, dass du endlich einen dir ebenbürtigen Mann gefunden hattest.«
    Elena schnaubte. »Dass ich ein Volltrottel bin! Eine Wahnsinnige, die nicht weiß, wann man lieber nett und brav und unterwürfig sein sollte, um seinen Hintern zu retten!«
    Raphaels Lächeln vertiefte sich, bis sich feine Fältchen über sein ganzes Gesicht ausbreiteten. Er legte Elena die Hand in den Nacken, strich mit der anderen am empfindlichen oberen Bogen ihres Flügels entlang. »Wärst du brav und unterwürfig gewesen«, flüsterte er, während ihr die Knie zitterten, »dann hätte ich dich nicht gerufen, um nach meiner Pfeife zu tanzen.«
    Ein Kuss, und Elenas Knie drohten, endgültig nachzugeben. Seine Zunge drängte sich in ihren Mund, sie schob sich dicht an ihn heran, bis ihre Brüste an den harten Muskeln seines Oberkörpers ruhten und sie nichts lieber tun wollte, als diese kurze, gestohlene Minute auszudehnen, bis die Welt draußen vergessen war. Aber leider ließ sich die harsche Realität, die beide heute erwartete, nicht einfach ignorieren.
    »Im Turm sind sie jetzt seit sechs Stunden ohne mich.« Auch Raphael hätte die kostbare gemeinsame Zeit gern noch ausgedehnt, löste sich dann aber doch widerstrebend von seiner Gemahlin. Gleichzeitig änderte sich auch sein Ausdruck, und vor Elena stand wieder einmal nicht nur der Mann, den sie liebte und dessen Ring sie am Finger trug, sondern auch der Erzengel, der die Verantwortung für das Leben von Millionen Sterblichen und Unsterblichen trug.
    »Zieh dich fertig an.« Auch Elena gab ihren Gemahl frei, um zur Tür zu eilen. »Ich hole uns etwas zu essen hoch. Du musst dich stärken, du hast dich gestern beim Heilen übernommen.«
    Als sie zurückkam, war die Verwandlung vollzogen, und sie frühstückte auf dem Balkon, hastig und im Stehen, mit dem Erzengel von New York, einem mächtigen Wesen mit grimmigem Blick. Raphael hatte sich gegen den ledernen Kampfanzug entschieden, den er sonst oft trug, und sich ein einfaches schwarzes Hemd sowie eine ebenfalls schwarze, makellos geschnittene Hose übergezogen. Auch das gehörte zu der Show, die sie heute abziehen wollten: Er präsentierte sich der Welt nicht als verzweifelter Kämpfer, sondern formvollendet elegant, als wollte er dem unbekannten Angreifer, der es gewagt hatte, seinen Leuten Leid zuzufügen, ein grimmiges »Ihr könnt mich mal!« zurufen.
    Nur wenige Minuten später sah Elena ihn hinaus in den beißend kalten Wind fliegen, während die Morgensonne weiße Funken aus den immer noch ungewohnt goldenen Handschwingen seiner Flügel zauberte. Wieder einmal schlich sich bei diesem Anblick eisige Furcht in ihr Herz. Sie hatte nie damit gerechnet, einen solchen Mann zu finden, sich so abgrundtief, so wild, so wahnsinnig zu verlieben. Noch immer erschrak sie manchmal über die tief bis in ihre Seele reichende Freude, die diese Liebe ihr geschenkt hatte, die leidenschaftliche, allumfassende Verbundenheit, die sie mit ihm erleben durfte. Und dann nistete sich neben der Freude die Furcht ein, hatte sie Angst, Raphael zu verlieren, wie sie ihre Mutter, wie sie ihre Schwestern verloren hatte.
    Seit dem gestrigen Tag nagte diese Furcht noch stärker an ihr, hatte sich bis in die vordersten Bereiche ihres Bewusstseins vorgearbeitet.
    Mit geballten Fäusten – die Fingernägel bohrten sich bereits schmerzhaft in die

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