Engelslied
Gedanken aus ihrem Kopf. Gerade war die Meldung hereingekommen, dass Lijuans Truppen gleich zuschlagen würden.
Ihre Gegner kündigten sich durch einen Hagel aus schwarzen Pfeilen an, der vom Stakkato der Luftabwehrgeschütze beantwortet wurde. Sie hatten die Wucht des Angriffs jedoch richtig eingeschätzt: Die Geschütze reichten nicht aus, um mit der Masse der feindlichen Kämpfer fertig zu werden. Jetzt waren die Scharfschützen gefragt. Innerhalb von dreißig Sekunden kam die erste Welle ungekennzeichneter Flügel in Sicht und bald darauf auch in Reichweite der Scharfschützen – Raphaels geflügelte Truppen dagegen waren in einem raschen, geplanten Sturzflug auf der Erde gelandet und hatten den Himmel den Feinden überlassen.
Elenas erster Bolzen bohrte sich in den Hals eines Engels mit braun gefleckten Flügeln. Ehe dieser noch richtig mitbekommen hatte, dass er getroffen worden war, lag bereits der zweite Bolzen in ihrer Armbrust. Der Getroffene ging in einer Spirale zu Boden, die Hand am blutüberströmten Hals. Gleichzeitig kollidierte hoch oben am Himmel Blau mit Schwarz, als die beiden Erzengel aufeinander losgingen. Aber darauf durfte Elena jetzt nicht achten, es nützte Raphael nichts, wenn sie Angst um ihn hatte, sie musste sich ganz auf ihre Feinde konzentrieren. Wenn sie ihren Teil wie besprochen beitrug, würde ihr ihr Gemahl und Liebster schon nicht das Herz brechen, darauf vertraute sie jetzt einfach.
So feuerte sie einen Schuss nach dem anderen ab, bis plötzlich keine unmarkierte Schwinge mehr in der Luft zu sehen war. Gespannt wartete Elena auf eine Nachricht – jeder der Scharfschützen trug Kopfhörer, die ihn mit dem Kommunikationsnetz des Turms verbanden. Bald hatte sie Dmitris Stimme im Ohr.
»Lijuans Truppen haben sich hinter unseren Verteidigungsring zurückgezogen, aber wir haben bereits ein Viertel unserer Luftabwehrgeschütze eingebüßt. Ihr könnt euch entspannen, dürft eure Stellungen aber nicht verlassen.«
Elena nutzte die Gelegenheit, um ihren Vorrat an Bolzen zu überprüfen. Sie hatte fast keine mehr, weswegen sie über den Sendekanal ihres Sprechfunks Kontakt zur Gilde aufnahm. Die höheren Ausbildungsjahrgänge dort waren für den Nachschub zuständig. Sie wechselte gerade noch rechtzeitig zurück auf den ursprünglichen Kanal, um den neuesten Bericht aus dem Turm mithören zu können.
»Feindliche Kämpfer haben sich auf Gebäuden niedergelassen, die wir mit unseren Waffen nicht erreichen können. Viele von ihnen sind verletzt, werden sich aber wahrscheinlich wieder erholen und wohl im Verlauf der nächsten Stunde erneut angreifen. Ihr könnt jetzt abwechselnd Pause machen.«
Als Lijuan ihre Truppen zurückfallen ließ und sich auch selbst zurückzog, konnte Raphael in den Turm zurückkehren und sich von Dmitri Bericht erstatten lassen. Sein Stellvertreter koordinierte die Streit- und Verteidigungskräfte. Er war auch für sämtliche Entscheidungen zuständig, denn während einer Schlacht müssen Entscheidungen oft innerhalb weniger Sekunden getroffen werden, was Raphael nicht möglich war, solange er mit Lijuan kämpfte. Er wusste, dass auch Dmitri lieber draußen auf dem Schlachtfeld gewesen wäre und sich ins Getümmel gestürzt hätte, war er doch immer auch für seine scharfe Klinge berühmt gewesen, aber er war im Turm unabkömmlich. Dmitri war der beste Kommandeur, den Raphael je gehabt hatte. Wenn es um strategische Fragen ging, wandte sich selbst Galen an Dmitri.
»Keine Todesopfer«, sagte der Vampir, womit er wieder einmal das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigte. »Bei den Kriegern an den Luftabwehrgeschützen gibt es einige Schwerverletzte, aber unsere geflügelten Kämpfer in der Nähe ihrer Stellungen haben jeweils rasch gehandelt und den Verletzten Deckung gegeben, damit andere Schützen sie bergen konnten.« Er deutete auf die Übersichtskarte, die einen großen Tisch in der Gefechtszentrale bedeckte und auf der einige Stellen mit einem schwarzen X markiert waren. »Hier haben wir Flugabwehrgeschosse verloren, aber das war zu erwarten, und wir hatten die Verluste bereits bei unseren Planungen berücksichtigt.«
»Hat Lijuan Todesfälle zu verzeichnen?«
Dmitri nickte. »Einige. Bei der ersten Welle sogar sehr viele, da haben die Scharfschützen fast eine halbe Schwadron zu Boden geschickt, damit die Vampire mit ihnen aufräumten. Aber die Gegenseite hat aus den Verlusten gelernt. Wenn jetzt ein Kämpfer abstürzt, landen zwei seiner
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