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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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einen Hollywoodfilm, der zu seiner Zeit ein großer
Hit gewesen war. Oben am Plakat klebte ein gelber Merkzettel:
Komparsen regieren die Welt!
Auf einem der Nachttische entdeckte sie das mit zahlreichen Notizen verzierte Skript eines Fernsehfilms, auf einem anderen lagen Notenblätter. Daneben lehnte eine Geige, deren Holz so wunderbar glänzte, dass sie das Instrument nicht anzurühren wagte.
    »Sie waren Künstler«, sagte sie zu Keir, der gerade die Leiche des Mädchens auf dem Wohnzimmerfußboden untersuchte. »Tänzer, Schauspieler, Musiker. Sie haben das Haus wohl gemeinsam gemietet, um Kosten zu sparen.« Letzteres überraschte sie ein wenig. »Hundert Jahre im Dienste eines Engels – ich dachte immer, danach steht man als Vampir mit einigen Ersparnissen da.«
    »Kommt auf den Engel an, nicht alle sind großzügig.« Keir nahm den Blick nicht von der Leiche, seine Hände öffneten gerade sanft und respektvoll die Bluse der Toten, um nachzusehen, wie weit die Krankheit bei ihr fortgeschritten war, als sie starb. »Die unausgesprochene Regel sieht vor, Blutsverwandte nach Erfüllung ihres Vertrages mit ausreichend Mitteln auszustatten, damit sie ein neues Leben anfangen können. Aber um welche Summen es da geht, ist Verhandlungssache.«
    Er schloss die Knöpfe der Bluse wieder und drapierte sie so, dass die Brust verdeckt war. »Es gibt allerdings auch Vampire«, fügte er hinzu, während er sich als Nächstes dem Mann auf dem Sofa zuwandte, »die nach Ablauf ihres Vertrages zu sehr daran gewöhnt sind, gesagt zu bekommen, was sie zu tun haben und nicht im Entferntesten wissen, wie man Geld verwaltet. Denen rinnt es dann wie Wasser durch die Hände.«
    »Der Musiker scheint sein Geld in seine Geige gesteckt zu haben«, sagte Elena. »Die Schauspielerin in Schauspielunterricht, wenn ich nach den Broschüren gehen kann, die ich in ihrem Zimmer gefunden habe. Diese fünf haben auf etwas hin gearbeitet.« Jedes Zimmer des Hauses strahlte lebhafte Energie aus, Hoffnung, das Versprechen, ein Traum würde, wann auch immer, wahr werden. Diese hoffnungsvollen Träume schienen die Bewohner miteinander verbunden zu haben. »Es kommt mir so unfair vor! Sie waren die Guten, hatten ihre hundert Jahre abgedient. Und das hier ist jetzt ihr Lohn?«
    »Das Leben ist selten fair, Elena.« In Keirs Stimme schwang das Echo von tausend Jahren Existenz mit. »Dennoch hast du recht. Das hier hätte nicht passieren dürfen.«
    Im Wohnzimmer ließ sich kein Hinweis darauf entdecken, wie alle fünf Bewohner des Hauses sich zur gleichen Zeit hatten anstecken können – ein Umstand, der gegen die Blutspendertheorie sprach. Elena suchte weiter. Ransom kehrte ins Haus zurück, als sie sich gerade die Küche vorgeknöpft hatte. »Dein Raphael ist ein verdammt Furcht einflößender Mistkerl«, lautete seine Begrüßung.
    Elena hatte gerade den Kühlschrank geöffnet und klammerte sich an der Tür fest, während ihr die kalte Luft in die Kleider fuhr und über ihre Haut strich. »Wie geht es Cici?«
    »Schläft wie ein Baby. Dein furchterregender Liebhaber ist übrigens zum Turm zurück, weil er sich um was anderes kümmern muss.« Ransom stieß hastig die Luft aus, um seinen Mund herum zeigten sich harte Linien. »Ein Teil von mir ist froh, dass Cici jetzt nicht von diesen schrecklichen Bildern verfolgt wird, nicht wimmernd und schreiend Nacht für Nacht aus dem Schlaf schrecken muss. Aber wir haben ihr damit auch ein Stück ihres Lebens genommen, Ellie.«
    »Ich würde lieber als Elena sterben, als wie ein Schatten zu leben.«
    So hatte sie es einmal Raphael gegenüber formuliert, woraufhin er ihr das Versprechen gegeben hatte, nichts an ihren Erinnerungen zu verändern. An dieses Versprechen hatte er sich bislang gehalten. Vielleicht war sie deshalb so selbstzufrieden geworden, hatte vergessen, wie leicht er dies anderen antun konnte. Ohne mit der Wimper zu zucken. Selbst bei den Menschen, die mehr ihre Familie waren, als Jeffrey es je sein würde. »Es tut mir leid«, wiederholte sie, während sich die Kante der Kühlschranktür in ihre Hand bohrte, so fest drückte sie zu.
    »War doch nicht deine Schuld!« Ransom stieß sie mit der Schulter an. »Den Fund hier hätte ich dem Turm auf jeden Fall melden müssen, ob du mit Raphael zusammen bist oder nicht, spielt da keine Rolle. Mit einem Unterschied: Ohne dich hätte sie bei mir auch etwas ausgelöscht, und ich wüsste das noch nicht mal. Vielen Dank also, dass du mich davor bewahrt hast.«

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