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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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nicht beendet, als vor ihr das glänzende rote Motorrad anhielt, das bei ihrem Eintreffen neben dem von Ransom gestanden hatte, zwischendurch aber verschwunden war.
    Vom Sitz stieg ein großer Mann. Er nahm den Helm ab und zum Vorschein kamen tiefgrüne Augen und kastanienbraunes Haar, dazu ein Gesicht, dem eine angeborene, träge Sinnlichkeit anhaftete, die durch jede der Bewegungen des Mannes noch verstärkt wurde. Aber diesem ersten Eindruck durfte man nicht trauen, das wäre ein Fehler gewesen: Janvier gehörte zwar nicht zu der Gruppe der Sieben, arbeitete aber direkt mit ihr zusammen. Den Respekt so gefährlicher Männer verschaffte sich nur, wer selbst gefährlich war.
    »Da bin ich wieder, ganz wie du befohlen hast, liebstes Glockenblümchen.« Die Stimme des Mannes beschwor dunkle, geheimnisvolle Bilder von Sumpfgebieten im Licht des Vollmonds herauf.
    Illium fasste sich kurz: »Sieh zu, dass niemand Keir zu nahe kommt. Aodhan hat Unterstützung aus der Luft arrangiert, in zehn Minuten müsste jemand hier sein.« Janvier salutierte zackig, unter seiner Motorradjacke blitzte der Knauf einer nicht gerade zierlichen Handfeuerwaffe auf. »Kleiner Lift gefällig?«, wandte sich Illium an Elena.
    »Bitte.«
    Sie legte ihm die Hände auf die Schultern, Illium umschlang ihre Taille, und die beiden hoben ab. Der blaugeflügelte Engel war schnell wie ein Peitschenhieb und schaffte in der Luft Manöver, die kein anderer zustande brachte, verfügte aber nicht über Raphaels wilde Kraft, weswegen der Senkrechtstart länger dauerte, als Elena es von den gemeinsamen Flügen mit ihrem Gemahl gewohnt war. Goldene Augen musterten sie prüfend beim Aufstieg in den sternenbeleuchteten Himmel, die Wimpern darüber dick und schwarz mit einem Hauch Blau an den Rändern. »Du wirkst stocksauer, Ellie.«
    Und ob sie sauer war! Dabei war ihre Wut irrational, was ihr durchaus bewusst war, aber geladen war sie trotzdem. Menschen war bestimmtes Wissen nun einmal nicht gestattet, und zwar nicht nur, weil das den Interessen der Unsterblichen diente. Auch die Sterblichen selbst profitierten davon. Alles, was mit dieser unheimlichen neuen Krankheit zusammenhing, durfte auf keinen Fall ausgeplaudert werden, das war klar. Sämtliche Gerüchte in dieser Richtung konnten eine Panik auslösen und noch dazu Raphaels Feinden eine Schwächung ihres Gegners signalisieren. Worauf sie natürlich nur warteten.
    Und trotzdem, obwohl ihr das alles bewusst war, war Elena wütend auf Raphael. Aufgebracht darüber, wie sehr ihr Gemahl ein Erzengel sein konnte. Natürlich war diese Wut in keiner Weise logisch oder rational. Elena war wütend, weil sie anscheinend das Gefühl dafür verloren hatte, was und wer Raphael wirklich war. Für sie war er ja jemand ganz anderes, und es traf sie bis ins Mark, daran erinnert zu werden, dass der Mann, der ihr Liebster war, für alle anderen jemand anderer zu sein hatte. Für den Rest der Welt war Raphael der todbringende, gefährliche und manchmal eben auch grausame Erzengel von New York. Er musste es sein, es ging nicht anders.
    Aber mit diesem Durcheinander von Gedanken und Gefühlen musste sie allein fertig werden. Nichts davon konnte sie mit Illium besprechen. »Die Nacht war hart und lang«, sagte sie also einfach nur.
    Sie sah ihm an, dass er ihr nicht glaubte, er drang jedoch nicht weiter in sie und gab sie wortlos frei, sobald sie die richtige Flughöhe erreicht hatten. Schweigend flogen die beiden weiter zu dem umgebauten kleinen Lagerhaus, das
Blut und Günstig
als Operationsbasis diente. Und in dem sie das Kernstück der Infektion vermuten mussten.

14
    Das Blutcafé hatte geöffnet, was in dieser Gegend nichts Außergewöhnliches war. Durch die offene Tür drang gedämpftes Licht herein, das den meisten Menschen nicht ausgereicht hätte, für die hier verkehrende Kundschaft jedoch genau das Richtige war. Da das ehemalige Lagerhaus sich am Rande des Vampirviertels befand, gab es in der Nähe außer dem Café keine auf Vampire spezialisierten Geschäfte, weswegen die Gegend zurzeit etwas verlassen wirkte. Zu Fuß war jedenfalls niemand unterwegs.
    Innen hatte man den relativ großen Raum mit schweren schwarzen Samtvorhängen geteilt. Auf der einen Seite befanden sich Laden und Büro, auf der anderen luden drei überraschend geschmackvolle Sitzgarnituren mit weinroten Sofas und schwarzen Kissen zum Verweilen. An den Wänden hingen schwarz-weiße Fotografien, sorgfältig ausgewählt, um die allgemeine

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