Engelslied
bekannte Elena ehrlich. »Spätestens seit dem Tag auf der Akademie nicht mehr, als ich in dein Zimmer kam, weil ich mir einen Stift borgen wollte, und Neve Pelletier sich gerade schreiend in einem Orgasmus wand.«
Diesmal fiel das Grinsen umwerfend aus. »Einer meiner stolzesten Momente!« Ohne Vorwarnung rollte er zu einem anderen Computer, machte einen Anruf und ließ sich wieder zurückrollen. »Tut mir leid. Ich sah da etwas reinkommen, das Sara interessieren könnte.«
»Hast du jetzt hinten im Kopf auch noch Augen?«
»Klar doch.« Erneut flackerte sein Blick zum Dokument auf dem großen Bildschirm. »Als Vampir könnte ich nicht mehr in der Gilde sein.«
»Warum denn nicht?« Auf diese Frage war Elena vorbereitet, sie hatte sie gründlich durchdacht. »Natürlich dürftest du die Arbeit, die du gerade machst, nicht mehr tun – man kann nicht zwei Herren dienen und so. Aber du bist ein geborener Jäger. Von uns gibt es nicht viele, und jeder wird gebraucht.«
»Ich habe kein Training als …«
»Du hättest alle Zeit der Welt! Vampire sind praktisch unsterblich, das reicht für die Ausbildung.«
»Und wer soll sich dann um all das hier kümmern?« Sein Blick huschte durch das Zimmer. »Du sagst ja selbst, dass das hier allein mein Werk ist.«
»Das stimmt«, musste Elena eingestehen. »Was du tust, kann sonst niemand. Aber glaubst du wirklich, irgendwer in der Gilde verübelt es dir, wenn du deinem Leben eine andere Richtung gibst?«
»Darum geht es nicht. Nimm die Info, die ich gerade an Sara weitergeleitet habe. Sie weiß jetzt, dass eine bestimmte Situation unter Umständen bedrohlich werden könnte und sie von daher ein Team darauf ansetzen sollte. Wenn ich nicht hier bin, gehen solche Informationen verloren, und dann müssen Leute sterben.«
Elena zuckte zusammen: Er hatte ja recht, wieso das leugnen? »Ich weiß schon seit Wochen, dass du ein geeigneter Kandidat bist. Weißt du, warum ich damit jetzt erst zu dir komme? Weil Sara Zeit brauchte. Sie musste sich überlegen, wie sie die Arbeit hier unten in deiner Abwesenheit hinbekommt, wenn du dich für die Erschaffung entscheiden solltest.«
»Ach ja?« Ein gefährliches Glitzern schlich sich in Viveks Augen. »Und jetzt weiß sie, wie es geht?«
»Jetzt weiß sie, dass sechs gut ausgebildete Leute nötig sind, um das zu leisten, was du hier ganz allein zuwege bringst.«
Das Glitzern verwandelte sich in ein selbstzufriedenes Lächeln. »Ich sag es ja: Ich bin unersetzlich.«
»Ja, ja. Wie dem auch sei: Wir hatten gehofft, du würdest dich bereit erklären, deinen Ersatz auszubilden, ehe du gehst. Falls du dich für den Wandel entscheidest.«
Vivek starrte eine Weile schweigend auf das Formular auf dem Bildschirm. »Hundert Jahre Sklavendasein, um meinen Körper zurückzubekommen«, flüsterte er schließlich. »Hundert Jahre lang auf Gedeih und Verderb einem Unsterblichen ausgeliefert, der vielleicht beschließt, mich als Schoßhündchen zu halten.«
»Die Engel sind nicht dumm. Du bist hochbegabt – niemand wird dich in eine niedere Dienstbotentätigkeit stecken wollen.«
»Aber ich werde nicht von Anfang an auch wieder jagen dürfen, oder?« Er runzelte die Stirn. »Werde ich überhaupt noch Jäger sein, nachdem ich erschaffen wurde?«
»Das kann ich dir nicht sagen, ich weiß es nicht.« Auch hier war volle Offenheit angesagt. »Soweit bekannt, wurde noch nie ein geborener Jäger erschaffen – bis auf mich, und ich bin ja irgendwie ein Spezialfall.«
»Es kann also sein, dass ich den Gebrauch meiner Glieder zurückgewinne, aber meine Jagdfähigkeit und die Gilde verliere.«
»Ja. Du gehst ein großes Risiko ein.« Nur Vivek selbst konnte entscheiden, ob es dieses Risiko wert war oder nicht. »Eines kann ich dir allerdings jetzt schon versichern: Du wirst nicht unter dem Kommando irgendeines x-beliebigen Engels stehen. Du wirst für den Turm arbeiten und direkt demjenigen der Sieben unterstellt sein, der gerade das Sagen hat.«
»Hast du deine Kontakte spielen lassen?«
»Was glaubst du denn? Dass ich meinen Freund in der Luft hängen lasse?« Elena funkelte ihn so lange wütend an, bis Vivek den Anstand besaß, beschämt den Kopf sinken zu lassen. »Raphael weiß genauso gut wie du und ich, was Treue ist. Das gilt auch für seine Sieben. Dass ich mich um meine Leute kümmere, ist für sie nun wirklich nichts Neues.« Sie breitete die Flügel aus, um sie neu zu ordnen. »Aber ich handele in dieser Frage nicht selbstlos, dichte
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