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Engelslieder

Engelslieder

Titel: Engelslieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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sie sich leicht gekleidet. Mit Ende des Nachmittags fiel die Temperatur wieder. Vermutlich würde es kälter werden als am Morgen, doch Autumn begrüßte das nur – die Kälte würde dafür sorgen, dass sie wach und aufmerksam blieben.
    Sie wusste, dass sie sich überanstrengten. Beide hatten sie die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit fast erreicht, und das Letzte, was ein Kletterer wollte, war, kurz vor Erreichen des Gipfels vor Erschöpfung zusammenzubrechen. Ohne größere Blessuren hatten sie den Pinnacle bezwungen, und als Ben am oberen Ende des Abhangs bei ihr angekommen war, hatte er sie angegrinst.
    “Das war vielleicht was”, sagte er.
    “Du bist vielleicht was, McKenzie.” Sie beugte sich zu ihm hinüber, presste die Lippen auf seine und marschierte dann weiter, bevor er Zeit hatte zu reagieren.
    Mit neu angefachter Entschlossenheit marschierte sie den Berg hinauf, obwohl ihre Muskeln angefangen hatten, lautstark zu protestieren. Das Gute war, dass sie an einer dicht bewachsenen Steigung angelangt waren, auf der sie wandern konnten. So konnten sie sich etwas ausruhen und die Ausrüstung kontrollieren, bevor sie schließlich die Teufelswand in Angriff nähmen.
    Eine halbe Stunde später waren sie da. Sie standen am Fuß der Granitwand, an deren oberem Ende sich ein Überhang abzeichnete.
    Ben blickte die massive Felswand empor. “Mann, dieses Baby ist ja ein echtes Ungeheuer.”
    “Ja, das kann man wohl sagen.”
    “Du meintest, du hast dir eine ordentliche Abreibung geholt, als du das letzte Mal da rauf bist.” Noch immer starrte er nach oben. “Jetzt verstehe ich, warum.”
    “Auf dem letzten Abschnitt könnten einige Gesteinsbrocken locker sein. Wir müssen aufpassen, dass keiner auf uns drauffällt.”
    “Ich werde dran denken”, erwiderte er trocken.
    Sie trugen Helme. Eigentlich kletterte Autumn lieber ohne, solange eine Felswand nicht aus Sandstein bestand oder unzählige lockere Gesteinsbrocken darin lauerten, aber bei dieser Route durften sie sich keinen einzigen Fehler leisten. Und diese Wand war alles andere als ungefährlich.
    “Wenn wir die erst mal hinter uns gelassen haben”, sagte sie, “ist das Schlimmste überstanden. Die restlichen Kletterabschnitte sollten wir eigentlich ohne größere Probleme schaffen.” Die Betonung lag hierbei auf
eigentlich
.
    Am Fuß der Wand kontrollierten sie gegenseitig ihre Gurte und hakten das Seil ein. Autumn holte tief Luft, bündelte ihre Konzentration und begann, die erste Steigung zu begehen, die länger war, als ihr lieb war. Sie verbrauchte viel Seil, ehe sie den ersten Spalt im Granit erreichte, in dem sie ein Klemmgerät befestigen konnte.
    Obwohl sich die Wolke um den Berg eine halbe Stunde zuvor gelüftet hatte und der Himmel aufgeklart war, war die Oberfläche der Felsen durch den Nebel feucht und rutschig. Bevor sie die dritte Sicherung angebracht hatte – ein Klemmgerät, das sie in einen breiten Felsspalt zwängen wollte –, verlor sie den Halt und rutschte mit dem Fuß ab. Zwar fiel sie nur knapp zwei Meter tief, da die letzte Sicherung einwandfrei hielt, doch einen Moment lang stockte ihr dennoch der Atem. Sie hasste den Augenblick, wenn sie ohne Kontrolle in einer Höhe von über dreihundert Metern in der Luft baumelte.
    Ben hielt sie sicher, als hätte er das schon viele tausend Mal gemacht. Sie zog sich wieder an die Felswand und kletterte weiter. Im Stillen machte sie sich Sorgen, ob er mit der glitschigen Felsoberfläche fertig werden würde.
    Sie setzte die Klemmgeräte in engen Abständen, um ihnen beiden im Falle eines weiteren Absturzes mehr Sicherheit zu geben, und zog sich schließlich unter Zuhilfenahme der Ferse auf den obersten Vorsprung. Sie atmete mehrmals tief durch, um neue Kraft zu sammeln, dann fand sie Halt und verankerte das Seil im Felsen, um Ben zu sichern.
    Er war fast an der dritten Sicherung angelangt, als er nach einem winzigen Vorsprung griff und sein Fuß wegrutschte. Die andere Hand, die in einem schmalen Spalt steckte, verlor ebenfalls den Halt und wurde aufgeschürft. In dem Moment, als er zu fallen begann, löste sich ein großes Felsstück. Eines der Klemmgeräte wurde aus der Wand gerissen, wodurch ein weiterer, noch größerer Felsbrocken nach vorn kippte.
    Eine Schrecksekunde lang stand ihr Herz still, und Autumn beobachtete entsetzt, wie das riesige Stück Granit den Berg hinunterfiel. Sie war sicher, Ben würde sterben.
    Ben baumelte über dem Nichts. Er knallte mit dem Hinterkopf gegen

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