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Engelslieder

Engelslieder

Titel: Engelslieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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nicht deinen Fünfzehn-Uhr-Termin mit dem Phantombildzeichner.”
    “Natürlich nicht.”
    “Ich bringe die Informationen von der Zulassungsstelle mit, wenn ich mein Zeug abhole.”
    Ihr fiel kein Vorwand ein, um ihn davon abzubringen. Außerdem war sie genauso neugierig auf die Liste wie er.
    Er stand neben dem heruntergekurbelten Autofenster, als sie den Sicherheitsgurt anlegte.
    “Versuch ein bisschen zu schlafen”, riet er ihr. “Du hast letzte Nacht ja kaum ein Auge zugemacht. Ich rufe dich später an.”
    Als sie nickte und den Mund öffnete, um sich zu verabschieden, fuhr er ihr mit den Händen ins Haar und hielt ihren Kopf fest. Dann steckte er den Kopf durchs Fenster und küsste sie – lange und zärtlich. Als er von ihr abließ, zitterte sie.
    “Es ist keine schlechte Idee”, flüsterte er. “Es ist eine sehr gute Idee, Autumn.” Dann drehte er sich um und ging davon.
    Einige endlos lange Sekunden saß Autumn einfach nur da, und ihre Hände zitterten so sehr, dass sie den Schalthebel nicht in Fahrstellung bringen konnte. Sie atmete tief durch, um sich zu sammeln, stellte den Hebel um und reihte sich in den Verkehr ein. Auf dem kurzen Nachhauseweg hatte sie sich bereits wieder besser unter Kontrolle und war entschlossener denn je, sich mit Ben zu nichts hinreißen zu lassen, was sie später mit Sicherheit bereuen würde.
    Autumn duschte und zog sich frische Sachen an. Sie verlegte die Einzelstunde, die sie am Nachmittag geben sollte, auf den nächsten Tag und folgte dann Bens Vorschlag, sich kurz hinzulegen.
    Der Phantombildzeichner traf um zehn nach drei ein. Der junge Mann war zur Hälfte spanischer Abstammung und hieß Jorge Johnson. Er hatte dunkle Haut und strahlend weiße Zähne. Er war ein paar Jahre älter als Autumn. Kaum hatten sie mit der Arbeit losgelegt, spürte Autumn, dass er seine Sache verstand.
    “Schließen Sie die Augen”, sagte er. “Manchmal hilft das. Vielleicht sehen Sie sein Gesicht dann deutlicher vor sich.”
    Sie befolgte die Anweisung und beantwortete seine Fragen.
    Ist das Gesicht rund oder eher eckig? Wie verläuft der Augenbrauenbogen? Sind die Brauen dünn oder dick? Welche Form haben seine Augen? Wie sehen die Lippen aus?
    Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Zeichnung präzise genug war – zumindest so präzise, wie man sie anhand eines Traumbildes anfertigen konnte. Ihr war nicht klar gewesen, wie undeutlich das Gesicht des Mannes war, bis sie versucht hatte, es zu beschreiben. Sie wusste nicht mal, welche Augenfarbe er hatte, und abgesehen von dem blonden Haar, das auf der Schwarzweißzeichnung nicht erkennbar war, sah das Gesicht, das sie beschrieben hatte, ziemlich durchschnittlich aus.
    “Keine Tätowierungen?”, hakte Jorge nach. “Keine besonderen Merkmale? Eine Narbe vielleicht? Oder ein Muttermal?”
    Sie schüttelte den Kopf. “Irgendwie sah er in meiner Erinnerung markanter aus. Wie jemand, an den man sich erinnern würde. Aber auf dem Bild kommt das gar nicht rüber.”
    “Vielleicht stimmt irgendetwas noch nicht.”
    Sie biss sich auf die Lippe und sah sich das Bild, an dem sie den gesamten Nachmittag gearbeitet hatten, genau an. “Ich glaube nicht.” Die Zeichnung sah richtig aus, und trotzdem war sie ein wenig enttäuscht.
    Jorge zeichnete zu Ende und notierte dann sauber die Worte: hellhäutig, blond, ca. 1,70 m bis 1,80 m, normale Statur, Ende dreißig bis Mitte vierzig.
    “Ich lasse Kopien davon anfertigen”, erklärte er dann, “und sorge dafür, dass Mr. McKenzie und Pete Rossi jeweils eine bekommen.”
    “Lassen Sie die Zeichnung doch einfach hier. Zwei Blocks weiter ist ein Copyshop, und Ben kommt heute Abend ohnehin noch vorbei.”
    “Wie Sie wollen.” Der junge Mann nahm das Blatt von seinem Klemmbrett und legte es auf den Frühstückstresen. “Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie noch etwas ändern wollen. Das ist überhaupt kein Problem.”
    “Danke, Jorge, das mache ich.”
    Die nächste halbe Stunde verbrachte Autumn damit, das Bild anzustarren und herauszufinden, warum der Mann auf der Zeichnung so anders aussah als in ihren Träumen. Woran es auch lag, es war so subtil, dass sie nicht darauf kam. Das Bild müsste reichen, wenigstens vorerst.
    Es war bereits früher Abend, als Ben anrief. Missmutig stellte Autumn fest, dass seine tiefe Stimme einen Schwarm Schmetterlinge durch ihren Bauch schickte. Um kurz nach sieben traf er in ihrer Wohnung ein. Er hatte sich so früh wie möglich von der Arbeit losgeeist. Er hatte

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