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Engelsmorgen

Engelsmorgen

Titel: Engelsmorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Haselnussaugen passte. Zwischen den Fingern hielt sie einen Pingpong-Ball, mit dem sie offensichtlich gleich wieder nach Luce werfen wollte.
    Luce setzte sich am Kopfende des Betts auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ihr tat bereits das Herz weh, weil sie Daniel so sehr vermisste. Sie brauchte nicht auch noch andere Schmerzen. Dann blickte sie vorsichtig um sich, versuchte, sich zurechtzufinden, und erinnerte sich daran, dass sie in der Nacht wahllos auf irgendein Bett gesunken war.
    Die Frau in Weiß, die Luce nach ihrem Abschied von Daniel vor der Schule begrüßt hatte, hatte sich als Francesca vorgestellt, eine der Lehrerinnen in Shoreline. Sogar in ihrem total verwirrten Zustand gestern Nacht war Luce aufgefallen, dass sie eine sehr schöne Frau war. Sie musste ungefähr Mitte dreißig sein, hatte lange blonde Haare, die ihr bis über die Schultern reichten, und ein sanftes, ebenmäßiges Gesicht.
    Ein Engel, dachte Luce augenblicklich.
    Francesca stellte Luce keine Fragen, als sie sie zu ihrem Zimmer begleitete. Sie schien sie erwartet zu haben, und sie schien zu spüren, dass ihr später Ankömmling todmüde war.
    Das fremde Mädchen, das Luce aus ihrem tiefen Schlaf aufgeweckt hatte, spielte mit dem Pingpong-Ball, unschlüssig, ob sie ihn noch einmal werfen sollte. »Na endlich«, meinte sie schließlich. »Du bist wach.«
    »Wer bist du?«, fragte Luce schläfrig.
    »Das sollte ich eher dich fragen. Schließlich bist du hier die Neue, die plötzlich mit mir das Zimmer teilt – was ich erst beim Aufwachen festgestellt hab. Du bist das Mädchen, das meine Morgenmeditation mit ihrem unverständlichen Gebrabbel im Schlaf gestört hat. Ich bin Shelby. Enchantée.«
    Kein Engel, beschloss Luce. Nur ein kalifornisches Mädchen, das sein Reich verteidigte.
    Luce ließ den Blick umherschweifen. Das Zimmer war vielleicht ein bisschen klein, aber nett eingerichtet. Heller Holzboden. Sogar ein Kamin, in dem ein Feuer brannte. Eine Mikrowelle. Zwei große, breite Schreibtische. Eingebaute Regale, die gleichzeitig als Leiter dienten. Sie lag nämlich in einem Etagenbett.
    Durch eine halb geöffnete Schiebetür konnte sie ein Badezimmer erkennen. Vor allem aber – sie musste mehrmals blinzeln, bis sie sich ganz sicher war, richtig gesehen zu haben – hatte man durch das Fenster einen überwältigenden Ausblick aufs Meer. Nicht schlecht für ein Mädchen, das vier Wochen lang auf einen verfallenen alten Friedhof geschaut hatte. Aus einem Zimmer, in dem man sich mehr wie in einer Anstalt als in einem Internat gefühlt hatte. Aber trotzdem. Dort war sie nahe bei Daniel gewesen. Und sie hatte gerade angefangen, sich in Sword & Cross einzugewöhnen. Jetzt musste sie wieder ganz von vorn anfangen.
    »Francesca hat mir nichts davon gesagt, dass ich eine Zimmergenossin haben würde.« Aus dem Ausdruck auf Shelbys Gesicht konnte Luce schließen, dass sie selbst dazu jetzt besser auch nichts sagte.
    Stattdessen musterte sie lieber weiter das Zimmer. Shelby hatte so einiges unternommen, um etwas mehr persönliche Atmosphäre reinzubringen. Luce hatte ihren eigenen Verschönerungsbemühungen nie so recht getraut, oder vielleicht hatte sie ja auch nie wirklich Gelegenheit gehabt, ihr Gespür dafür auszubilden. In Sword & Cross war sie nicht lange genug geblieben, um dort ihr Zimmer groß umzugestalten. Aber auch davor, in Dover, war ihr Zimmer kahl und weiß gewesen. Clean chic, wie ihre Freundin Callie einmal gesagt hatte.
    Dieses Zimmer dagegen … hatte etwas auf fast altmodische Weise Gemütliches. Auf dem Fensterbrett standen Blumentöpfe mit allen möglichen Pflanzen, die sie noch nie gesehen hatte. Quer unter der Decke hingen tibetische Gebetsfahnen. Vom oberen Etagenbett baumelte der Zipfel eines bunten Patchwork-Quilts herunter, der einen auf den Spiegel geklebten astrologischen Kalender halb verdeckte.
    »Was glaubst du denn? Dass sie die Wohnung des Dekans ausräumen, bloß weil du Lucinda Price bist?« Shelby war Luces Blicken gefolgt.
    »Ähm, was?« Luce schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich denn so was denken? Aber wart mal, woher weißt du eigentlich meinen Namen?«
    »Dann bist du Lucinda Price?« Die grün gesprenkelten Augen des Mädchens waren starr auf Luces grauen Pyjama gerichtet. »Na, ich hab ja wieder mal ein Glück.«
    Luce war sprachlos.
    »Entschuldigung.« Shelby holte tief Luft und schien sich zu besinnen. Sie setzte sich auf Luces Bettkante. »Ich bin ein Einzelkind. Leon – das ist

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