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Engelsmorgen

Engelsmorgen

Titel: Engelsmorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Im Himmel ging es damals drunter und drüber. Und von mir wurde aufgrund meiner Stellung erst recht erwartet, dass ich mich von dir fernhielt. Du stelltest eine gefährliche Ablenkung dar. Wir sollten unsere ganze Kraft und Energie darauf verwenden, den Krieg zu gewinnen. Den Krieg, der immer noch andauert.« Er seufzte. »Und falls du es nicht bemerkt haben solltest, werde ich durch dich immer noch davon abgelenkt.«
    »Du warst also ein Engel, der in der Rangordnung der Engel sehr weit oben stand«, murmelte Luce.
    »Ja, so war es.« Daniel wirkte sehr bedrückt, machte eine Pause und spuckte, als er weitersprach, die Worte verächtlich aus: »Es war ein Sturz mit großer Fallhöhe. Von einem der höchsten Ämter.«
    Ja, so war es. Daniel musste im Himmel ziemlich wichtig gewesen sein, wenn so viel von ihm erwartet wurde. Wenn er so hart dafür bestraft wurde, dass ihn die verbotene Liebe zu einer Sterblichen gepackt hatte.
    »Du hast das alles aufgegeben? Für mich?«
    Er lehnte seine Stirn an ihre. »Ich habe es keine Sekunde lang bereut.«
    »Aber ich war ein Niemand«, sagte Luce. Sie fühlte sich mit einem Mal, als würde sie mit der Schwerkraft ihres Körpers an ihm ziehen. Ihn nach unten ziehen. »Du musstest für mich so viel aufgeben!« In ihrem Magen rumorte es. »Und jetzt bist du für immer verdammt.«
    Daniel lächelte sie traurig an. »Vielleicht ist es ja gar nicht für immer.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Hey«, meinte er plötzlich. »Weißt du was? Lass uns noch einen Spaziergang machen.«
    Und so schlenderten sie gemeinsam die Straße entlang, an deren Ende eine steil in den Fels gehauene Treppe bis ans Wasser hinunterführte. Die Luft war kühl und feucht von der Gischt. Doch sie stiegen nicht die Stufen zur Bucht hinunter. Ein schmaler Trampelpfad zweigte links vom Weg ab. Daniel nahm ihre Hand und ging mit ihr bis an die Kante des Kliffs vor.
    »Wohin willst du?«, fragte Luce.
    Daniel lächelte sie an, reckte die Schultern und dann breitete er seine Flügel aus.
    Langsam wuchsen sie aus seinen Schultern heraus, entfalteten sich beinahe unhörbar, mit einem leisen Rascheln und Knistern. Kurz bevor sie ihre volle Größe erreichten, war ein letztes gedämpftes Plopp zu hören, wie wenn ein Federbett aufgeschüttelt wird.
    Jetzt erst fiel Luce auf, dass Daniels T-Shirt eine Sonderanfertigung sein musste. Es befanden sich dort zwei schmale, normalerweise unsichtbare Schlitze, durch die nun seine Flügel gekommen waren. Ob alle Kleidungsstücke von Daniel auf seine Schwingen zugeschnitten waren? Oder gab es für Engel ein besonderes Outfit, das sie anlegten, wenn sie vorhatten zu fliegen?
    Egal. Luce bestaunte jedenfalls voller Ehrfurcht seine prächtigen Flügel.
    Sie waren riesig und überragten Daniel um das Doppelte. Wie prächtige weiße Segel sahen sie aus, dachte Luce, schwungvoll in den Himmel aufgerichtet. Sie fingen das Licht des Mondes und der Sterne ein und strahlten es vervielfacht ab, sodass sie in allen Regenbogenfarben schillerten. Zu seinem Körper hin wurden die Farben dunkler und gingen an Daniels Schultern in ein erdfarbenes Braun über. Aber zum Ende der Schwingen hin leuchteten sie immer heller. Die Spitzen der Flügel waren beinahe durchsichtig.
    Luce schaute ihn verzückt an, versuchte, sich jede einzelne Feder einzuprägen, um sie in sich zu bewahren und sich später daran erinnern zu können, wenn er sie verlassen hatte. Er strahlte so hell, dass sogar die Sonne sich von ihm Licht hätte leihen können. Das Lächeln in seinen violetten Augen sagte ihr, wie wohl er sich fühlte, wenn er seine Schwingen entfalten konnte. So wie Luce sich unendlich wohlfühlte, wenn sie von seinen Flügeln umhüllt war.
    »Flieg mit mir«, flüsterte er.
    »Wie?«
    »Ich werde dich für eine Weile nicht sehen können. Ich will dir noch etwas schenken, damit du dich an mich erinnerst.«
    Bevor er noch mehr sagen konnte, küsste ihn Luce. Sie schlang dabei die Arme so fest um ihn, wie sie konnte, und hoffte, dass sie ihm auch etwas geben konnte, woran er sich später erinnerte.
    Dann presste Daniel ihren Rücken gegen seine Brust und drückte eine Reihe von sanften, kleinen Küssen auf ihren Nacken. Sie hielt den Atem an, wartete. Er ging leicht in die Knie und stieß sich von der Kante des Kliffs ab.
    Sie flogen.
    Fort von der felsigen Küste, über die Wellen mit ihren silbernen Kämmen hinweg, die an die Felsen brandeten, in den Himmel

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