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Engelsmorgen

Engelsmorgen

Titel: Engelsmorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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er befürchtet hatte. Er wandte sich zu Cam, den federleichten Pfeil zwischen den Fingern balancierend. »Er hat nicht allein gehandelt.«
    Cam erstarrte beim Anblick des Pfeils. Er beugte sich fast ehrfürchtig über ihn, streckte die Hand aus und berührte ihn genauso vorsichtig wie Daniel. »Eine so wertvolle Waffe zurückzulassen. Die Outcasts müssen total überstürzt aufgebrochen sein. Offensichtlich wollten sie nichts wie weg.«
    Die Outcasts: eine merkwürdige Sekte von Engeln, die weder zum Himmel noch zur Hölle gehörten, gerne große Reden schwangen und schwer einzuordnen waren. Ihr größter Trumpf war der einsiedlerische Engel Aazel, der einzige noch lebende Sternenschmied, der die Kunst, Sternenpfeile zu schmieden, beherrschte. Ein solcher Sternenpfeil, von seinem silbernen Bogen abgefeuert, vermochte einem Sterblichen wenig mehr als einen Kratzer zuzufügen. Aber für Engel und Dämonen handelte es sich um die tödlichste Waffe, die es gab.
    Alle wollten solche Sternenpfeile. Doch niemand war bereit, deswegen ein Bündnis mit den Outcasts einzugehen. Der Tauschhandel, um an solche Pfeile zu gelangen, wurde versteckt betrieben, mittels Geheimboten. Was bedeutete, dass der Mann, den Daniel getötet hatte, kein Auftragskiller gewesen war, den die Ältesten geschickt hatten. Er war wohl lediglich ein Unterhändler. Der wirkliche Outcast, ihr Feind, hatte sich entmaterialisiert – wahrscheinlich bereits beim ersten Anblick von Daniel und Cam. Daniel schauderte. Das war keine gute Nachricht.
    »Wir haben den Falschen getötet.«
    »Was heißt ›falsch‹?«, erwiderte Cam unwirsch. »Ein Feind weniger ist ein Feind weniger. Ist die Welt damit nicht besser dran? Und erst recht Luce?« Er starrte auf die Wellen. »Das einzige Problem …«
    »Die Outcasts.«
    Cam nickte. »Sie sind also jetzt auch hinter ihr her.«
    Daniel konnte spüren, wie die Spitzen seiner Engelsschwingen sich unter seinem weichen Wollpullover und der Marinejacke rührten, wie jedes Mal mit einem brennenden Schmerz, der ihn zusammenzucken ließ. Er stand reglos da, mit geschlossenen Augen, die Arme an den Körper gepresst, und zwang sich dazu, sich zu beherrschen. Am liebsten hätte er jetzt seine Flügel zu ihrer ganzen mächtigen Größe entfaltet, wie die Segel eines prächtigen Segelschiffs, in die der Wind hineinfuhr. Und dann hätte es ihn von dieser Insel fort und hoch in die Lüfte getragen. Hin zu ihr, zu Luce.
    Er schloss die Augen und versuchte, sich vorzustellen, wie es Luce in diesem Augenblick wohl erging. Er hatte sich gewaltsam von ihr lösen müssen, aber er sah das Bild noch vor sich. Wie sie da in der Hütte friedlich schlief, auf der winzigen Insel östlich von Tybee. Dort musste es jetzt Abend sein. Ob sie inzwischen aufgewacht war? Ob sie vielleicht Hunger hatte?
    Die Schlacht in Sword & Cross, die angedeutete Enthüllung eines großen Geheimnisses, der Tod ihrer Freundin – das war sehr viel, was da auf einmal auf Luce eingestürmt war. Die Engel gingen davon aus, dass sie den ganzen Tag und auch noch die folgende Nacht schlafen würde. Aber bis zum Morgen darauf mussten sie einen Plan gefasst haben. Dann musste entschieden sein, was mit Luce geschehen sollte.
    Es war das erste Mal, dass Daniel einen Waffenstillstand vorgeschlagen hatte. Alles festzulegen, dafür die Regeln zu vereinbaren, die Grenzen zwischen den beiden Lagern zu ziehen, die Strafen auszuhandeln, die beiden Seiten drohten, falls Verstöße stattfanden – für Cam und ihn bedeutete das eine große gemeinsame Verantwortung. Aber natürlich tat er das, taten sie beide das, denn sie taten es schließlich für sie … aber er wäre sich gern vollkommen sicher gewesen, dass sie auch das Richtige taten.
    »Wir müssen sie irgendwo verstecken, wo ihr keine Gefahr droht«, sagte er. »Es gibt da eine Schule ein Stück weiter im Norden, in der Nähe von Fort Bragg …«
    »Die Shoreline School.« Cam nickte. »Meine Seite hat das auch schon geprüft. Da wird es ihr gefallen. Und sie wird die richtige Ausbildung erhalten, ohne durch zu viel Wissen zur falschen Zeit gefährdet zu werden. Und vor allem wird sie dort sicher und geschützt sein.«
    Gabbe hatte Daniel bereits erklärt, auf welche Weise die Shoreline School für Luce den perfekten Schutz bot. Nur allzu bald würde sich herumgesprochen haben, dass sie dort versteckt war, aber wenigstens für eine Weile wäre sie auf dem Schulgelände für alle Unbefugten so gut wie unsichtbar. In der Schule

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