Engelsnacht
wickelten sich um ihren
Körper wie eine Decke und sie ließ es geschehen. Sie wollte sie berühren und hätte am liebsten Daniel und sich selbst ganz darin eingehüllt, aber bald wich die samtweiche Berührung wieder, die Schwingen falteten sich zusammen. Er hörte auf, sie zu küssen, betrachtete ihr Gesicht, schien zu warten. Sie verstand nicht, warum ihr plötzlich so warm wurde, eine merkwürdige Furcht stieg in ihr auf. Ihr wurde heiß, sie brannte innerlich - immer stärker, bis sie es nicht mehr aushielt. Und in diesem Augenblick wurde sie wach. Im letzten Moment ihres Traums hatte sie in Flammen gestanden, hatte lichterloh gebrannt - und war dann zu Asche zerfallen.
Schweißgebadet war sie aufgewacht - ihre Haare, ihr Kopfkissen, ihr Schlafanzug, alles war nass geschwitzt. Ihr war plötzlich eiskalt. Zitternd und fröstelnd war sie in ihrem Bett gelegen, bis das erste Morgenlicht ins Zimmer kam.
Luce rieb sich die Arme, um etwas wärmer zu werden. Natürlich. Das war der Grund gewesen. Der Traum hatte sie mit Feuer im Herzen und Eis in den Knochen zurückgelassen, und es war ihr den ganzen Tag lang nicht geglückt, beides miteinander zu versöhnen. Deshalb war sie jetzt hierher zum Schwimmen gekommen, weil sie diese Spannung loswerden musste.
Diesmal hatte sie ihren eigenen schwarzen Badeanzug dabei, der wie eine zweite Haut saß, und auch ihre Schwimmbrille hatte sie nicht vergessen. Sie stieß die Tür in die Schwimmhalle auf, stand dann unter dem Sprungturm allein am Beckenrand und atmete die feuchte, warme Luft mit dem Chlorgeruch ein. Ohne die anderen Schüler ringsum, die Lärm machten, und ohne Trainer Diante mit ihrer Trillerpfeife spürte Luce die Gegenwart von etwas Anderem in der ehemaligen Kirche. Beinahe etwas Heiliges. Vielleicht lag es
auch nur daran, dass die Schwimmhalle ein so überwältigender Raum war. Selbst wenn der Regen durch die undichten farbigen Glasfenster hereinlief. Selbst wenn in den Nischen keine Kerzen brannten. Luce versuchte sich vorzustellen, wie das Kirchenschiff wohl gewirkt hatte, bevor das Schwimmbecken eingebaut worden war. Sie mochte die Vorstellung, unter den Kirchenbänken mit den Betenden hindurchzutauchen.
Luce zog die Schwimmbrille vor die Augen und sprang ins Becken. Das Wasser war warm, viel wärmer als der Regen draußen, und das Donnergrollen klang harmlos und weit weg, sobald sie mit dem Kopf untergetaucht war.
Sie kam hoch und begann langsam durchs Becken zu kraulen, um sich erst einmal aufzuwärmen.
Ihre Muskeln waren bald lockerer, und nach ein paar Zügen wurde Luce schneller und begann im Schmetterlingsstil zu schwimmen. Sie spürte, wie ihr ganzer Körper arbeitete, und legte noch mehr nach. Genau dieses Gefühl hatte sie gewollt. Deshalb war sie hergekommen.
Wenn sie nur mit Daniel reden könnte. Wirklich reden, ohne dass er sie unterbrach oder ihr erzählte, dass sie die Schule wechseln sollte, oder sich davonmachte, bevor sie gesagt hatte, was sie sagen wollte. Aber was wollte sie ihm eigentlich sagen? Alles, was sie vorbringen konnte, war ein Gefühl, etwas, das sie in seiner Gegenwart spürte, ohne Bezug zu ihren wirklichen Begegnungen hier an der Schule.
Und wenn sie versuchte, mit ihm noch einmal an den See zurückzukehren? Schließlich hatte er ihr doch zu verstehen gegeben, dass es ihr gemeinsamer Ort war. Diesmal konnte sie ihn ja dorthin führen, und sie würde höllisch aufpassen, dass sie nichts sagte, was ihn irgendwie gegen sie aufbrachte -
Das funktionierte alles nicht.
Mist. Sie machte schon wieder denselben Fehler. Sie wollte doch schwimmen. Einfach nur schwimmen. Sie würde schwimmen, bis sie zu erschöpft war, um an etwas Anderes zu denken; vor allem nicht mehr an Daniel. Sie würde schwimmen, bis -
»Luce!«
Bis sie dabei unterbrochen wurde. Von Penn, die am Beckenrand stand.
»Was machst du hier?«, fragte Luce, als sie am Ende der Bahn angekommen war. Sie keuchte und spuckte Wasser.
»Was machst du denn hier?«, gab Penn die Frage zurück. »Seit wann treibst du freiwillig Sport? Diese neue Seite an dir gefällt mir gar nicht.«
»Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?« Erst danach fiel Luce auf, wie abweisend das geklungen hatte. Als würde sie Penn aus dem Weg gehen wollen.
»Von Cam«, sagte Penn. »Wir haben sogar ein richtiges Gespräch geführt. Schon komisch. Er wollte wissen, ob es dir gut geht.«
»Das ist wirklich seltsam«, stimmte Luce zu.
»Nein«, sagte Penn, »komisch war, dass er auf
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