Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
Vom Netzwerk:
denen der Nachthimmel zu verschwinden schien. Ein wirbelnder, kreisender Sturm aus Finsternis, der sich in alle Richtungen ausbreitete und die Welt in sich aufsaugte.
    »Heuschrecken!«, rief Penn.
    Luce schauderte. Der dicke Schwarm befand sich immer noch in einiger Entfernung, aber sein tiefes Brummen wurde mit jeder Sekunde lauter. Wie der Flügelschlag von Abertausenden von Vögeln. Wie eine über die Erde hinwegfegende, feindselige Macht. Die Finsternis näherte sich. Sie würde noch in dieser Nacht, bald, auf sie einpeitschen, sich in ihr festkrallen, nach ihr packen. Und nicht nur nach ihr, vielleicht auch nach allen anderen hier.
    »So gehört sich das nicht!«, schimpfte Miss Sophia zum Himmel. »Alle Dinge müssen ihre Ordnung haben!«
    Penn hielt keuchend neben Luce und beide guckten sich verstört an. Sie war schweißgebadet, ihre rote Brille rutschte ihr in der schwülen Hitze dauernd von der Nase.

    »Sag mal, wird die allmählich etwas wunderlich?«, flüsterte Penn und deutete mit dem Daumen auf Miss Sophia.
    »Nein.« Luce schüttelte den Kopf. »Sie kennt sich mit vielen Dingen aus. Und wenn Miss Sophia beunruhigt ist, dann gibt es einen Grund dafür. Geh, Penn, du solltest nicht hier sein.«
    »Ich?«, fragte Penn verblüfft. Wahrscheinlich weil sie seit Luces erstem Tag in der Sword & Cross diejenige gewesen war, die den Ton angegeben hatte und sich überall auskannte. »Keine von uns beiden sollte hier sein.«
    Luce fühlte einen stechenden Schmerz in der Brust, ähnlich wie vor ein paar Wochen, als sie sich von ihrer besten Freundin Callie verabschiedete. Sie blickte Penn nicht an. Zwischen ihnen bestand eine tiefe Kluft, sie waren unwiderruflich voneinander geschieden. Luce konnte nicht anders, selbst wenn sie gewollt hätte. Ihre Vergangenheit hatte sie eingeholt. Sie hasste sich selbst dafür, sich so verhalten zu müssen, aber sie wusste, es war besser für sie beide und sicherer, wenn sie von nun an getrennte Wege gingen.
    »Ich muss bleiben«, sagte sie und holte tief Luft. »Ich muss Daniel finden. Und du solltest unbedingt zurück in dein Zimmer. Bitte, Penn.«
    »Aber du und ich«, sagte Penn heiser, »wir waren die Einzigen, die -«
    Aber Luce konnte das Ende des Satzes nicht mehr hören, denn sie war schon weitergerannt. Sie spürte, dass Daniel nun nicht mehr weit war. Ihre Sache würde bald eine Ende haben. Sie sprang über den letzten schlichten Grabstein, rutschte auf dem glitschigen Boden mit dem vermodernden Laub fast aus und hielt dann bei der nächsten riesigen Eiche an.
    Atemlos und verschwitzt, todesmutig und zugleich verängstigt
lehnte sie sich an den Stamm. Sie blickte zwischen den Ästen hindurch.
    Und dann sah sie ihn.
    Daniel.
    Ihr entfuhr ein Seufzer und die Knie wurden ihr weich. Ein einziger Blick auf seine dunkle Gestalt, die majestätisch und schön vor dem Nachthimmel stand, genügte. Alles, was Daniel ihr erzählt hatte und worauf er angespielt hatte, war wahr - auch die eine große Wahrheit, hinter die sie selbst gekommen war.
    Er stand auf einer prächtigen Gruft, hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und schaute zum Himmel hoch, wo die bedrohliche Heuschreckenwolke gerade vorübergeflogen war. Das silberne Mondlicht warf seinen Schatten als dunkle Sichel über das flache Dach. Sie lief auf ihn zu, immer wieder Ästen mit herabhängenden Moosflechten und Marmorstatuen ausweichend.
    »Luce!« Er bemerkte sie sofort, als sie sich der Gruft näherte. »Was machst du hier?« Seine Stimme klang nicht erfreut, sie zu sehen - vielmehr erschrocken und gepeinigt.
    Es ist meine Schuld, hätte sie am liebsten herausgeschrien. Ich glaube dir, ich glaube dir die Geschichte, die du erzählt hast. Unsere Geschichte. Bitte verzeih mir, dass ich dich verlassen habe. Ich werde das nie wieder tun. Und da war noch etwas, das sie ihm unbedingt sagen wollte. Aber er war viel zu hoch über ihr und das schreckliche Getöse der Schatten war viel zu laut und die Luft war viel zu schwer und feucht, als dass er sie hätte hören können, wenn sie ihm das alles zugerufen hätte.
    Das Mausoleum bestand aus glattem Marmor. Aber in den eingemeißelten Reliefs war einem Pfau ein großes Stück herausgeschlagen worden, und Luce benutzte die Lücke für ihren Fuß. Der Stein fühlte sich nicht kalt an, sondern überraschend
warm. Mit ihren verschwitzten Händen rutschte sie ein paar Mal ab, als sie hochzuklettern versuchte. Nach oben zu Daniel, der ihr verzeihen musste.
    Luce war nicht weit

Weitere Kostenlose Bücher