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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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gekommen, als ihr jemand von hinten an die Schulter langte. Sie drehte den Kopf, merkte erschrocken, dass es Daniel war, und verlor den Halt. Er fing sie auf und griff ihr mit den Armen um die Taille, bevor sie stürzen konnte. Aber war er nicht kurz vorher noch auf dem Dach der hoch aufragenden Gruft gestanden?
    Sie schmiegte ihr Gesicht an seine Schulter. Die Wahrheit machte ihr immer noch Angst, aber in seinen Armen fühlte sie sich wie die Welle, die endlich an die Küste schlägt, wie ein Reisender, der nach einer langen, gefährlichen Reise endlich die Heimat erreicht - sie fühlte sich zu Hause angekommen.
    »Du hast dir einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht«, sagte er lächelnd, aber sein Lächeln war voller Sorge. Seine Augen blickten hinter ihr Gesicht in die Ferne, hoch in den Himmel.
    »Du siehst sie auch?«, fragte sie.
    Daniel sah sie nur an, unfähig zu einer Antwort. Seine Lippen zitterten.
    »Natürlich siehst du sie«, flüsterte sie. »Wie könnte es auch anders sein.« Alles fügte sich zusammen. Die Schatten, seine Geschichte, ihre gemeinsame Vergangenheit. Tränen stiegen in ihr hoch. »Warum liebst du mich?«, fragte sie schluchzend. »Wie hältst du es überhaupt mit mir aus?«
    Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Was redest du da? Wie kommst du denn auf solche Fragen?«
    Ihr Herz brannte.
    »Weil …« Sie schluckte. »Du bist ein Engel.«
    Seine Arme fielen schlaff herab. »Was hast du da gesagt?«

    »Du bist ein Engel, Daniel. Ich weiß es«, sagte Luce, und in ihr öffneten sich Schleusen und Tore, weiter und weiter, bis alles nur so aus ihr heraussprudelte. »Erklär mir nicht, dass ich verrückt bin. Ich habe so viele Träume von dir, Träume, die so wirklich sind, dass ich sie nicht vergessen kann, Träume, die mich dich lieben ließen, noch bevor du ein einziges Wort zu mir gesagt hattest.« Der Ausdruck in Daniels Augen war unverwandelt. »Träume, in denen du Flügel hast und mich umarmst und mit mir hoch in einen Himmel fliegst, der mir unvertraut ist und von dem ich doch weiß, dass ich dort schon gewesen bin, mit dir, in deinen Armen, schon tausende Male.« Sie legte ihre Stirn an seine. »Das erklärt so viel. Die Anmut, mit der du dich bewegst, das Buch, das dein Vorfahr geschrieben hat - aber das warst du ja selbst! Warum am Elterntag niemand gekommen ist, um dich zu besuchen. Warum du zu schweben scheinst, wenn du im Schmetterlingsstil schwimmst. Und warum ich mich fühle, als wäre ich im Himmel, wenn du mich küsst.« Sie hielt inne, um Atem zu holen. »Und warum du ewig lebst. Nur eines verstehe ich nicht, nämlich was du ausgerechnet an mir findest. Denn ich bin … na ja, ich bin eben nur ich.« Sie schaute ebenfalls zum Firmament hoch, spürte die schwarze Magie der Schatten. »Und ich habe solche Schuld auf mich geladen.«
    Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Luce konnte daraus nur einen Schluss ziehen. »Du weißt auch nicht, warum«, sagte sie.
    »Ich begreife nicht, warum du immer noch hier bist.«
    Sie blinzelte unter Tränen und nickte jämmerlich, dann wandte sie sich ab, um zu gehen.
    »Nein!« Er zog sie zurück. »Geh nicht fort. Es ist nur … es ist nur, so weit ist es nie gekommen zwischen uns. Du hast
nie …« Er schloss die Augen. »Sagst du es bitte noch mal?«, fragte er fast schüchtern. »Sagst du mir noch mal, was ich bin?«
    »Du bist ein Engel«, wiederholte sie langsam. Daniel hatte die Augen immer noch geschlossen und seufzte entzückt, fast als würden sie sich küssen. »Ich liebe einen Engel.« Jetzt wollte sie auch am liebsten die Augen schließen und seufzen. Luce neigte den Kopf. »Aber in meinen Träumen sind deine Flügel -«
    Ein heißer Wind fegte heulend über sie hinweg und riss Luce beinahe aus Daniels Armen. Er schützte ihren Körper mit seinem. Die schwarze Wolke der Heuschrecken hatte sich zirpend im Laub eines riesigen Baums jenseits der Friedhofsmauern niedergelassen. Jetzt erhoben sie sich wieder in einem riesigen Schwall.
    »Ohmeingott«, flüsterte Luce. »Ich muss etwas tun. Ich muss sie aufhalten -«
    »Luce.« Daniel streichelte ihr über die Wange. »Schau mich an. Du hast nichts Falsches getan. Und du kannst nichts dagegen tun.« Er deutete auf die Heuschrecken und schüttelte dann den Kopf. »Warum fühlst du dich schuldig?«
    »Weil ich mein ganzes Leben lang diese Schatten gesehen habe und -«
    »Ich hätte etwas unternehmen sollen, als mir das letzte Woche am See klar geworden ist. Es ist das erste Mal,

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