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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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der Sonne erwärmten Fels hochhievten. Der moosbewachsene Stein war glitschig, und Luce hatte Schwierigkeiten, einen festen Halt zu finden. Daniel hatte sich schon mühelos herausgezogen, beugte sich herunter und reichte ihr eine Hand. Dann half er ihr so weit heraus, bis sie allein weiterklettern konnte.
    Als sie schließlich auf der Felsplattform stand, lag Daniel dort schon ausgestreckt und die Sonne hatte seinen Oberkörper bereits fast getrocknet. Nur an seinen nassen Shorts konnte man merken, dass er soeben erst im Wasser gewesen war. Luce klebten das nasse Tanktop und die abgeschnittene Jeans am Körper und ihre Haare tropften. Die meisten Jungen hätten wahrscheinlich die Gelegenheit genutzt, ein
Mädchen in triefnassen Klamotten ausführlich zu mustern, aber Daniel lag auf dem Rücken und schloss die Augen - weil er entweder kein Interesse an ihr hatte oder so rücksichtsvoll war, dass er ihr einen unbeobachteten Augenblick gönnen wollte, um ihre Kleidung etwas auszuwringen.
    Rücksichtnahme, beschloss sie, obwohl sie wusste, dass das hoffnungslos romantisch war. Aber Daniel wirkte so einfühlsam, er musste einfach gespürt haben, was Luce für ihn empfand. Da war nicht nur diese starke Anziehung, so stark, dass sie weiter seine Nähe suchte, obwohl alle um sie herum sie davor warnten. Sie hatte auch das Gefühl, dass sie sich von irgendwoher kannten. Wirklich kannten.
    Daniel schlug die Augen auf und lächelte sie an - dasselbe Lächeln wie auf dem Foto, das in die rechte obere Ecke seines Aktenblatts geklebt war. Das Gefühl eines Déjà-vu überkam Luce mit solcher Macht, dass ihr schwindlig wurde und sie sich hinlegen musste.
    »Was ist?«, fragte er. Seine Stimme klang leicht nervös.
    »Nichts.«
    »Luce.«
    »Ich krieg es einfach nicht aus meinem Kopf«, sagte sie und drehte sich auf die Seite, damit sie ihn anschauen konnte. Sie fühlte sich noch zu benommen, um sich aufzusetzen. »Dieses Gefühl, dass ich dich kenne, und zwar schon länger.«
    Sanfte Wellen schlugen gegen den Felsen, Luce ließ ihr Bein herunterbaumeln, bis sie mit der Zehe ins Wasser reichte. Es war so kalt, dass sie kurz schauderte. Sie spürte, wie sie Gänsehaut bekam. Schließlich sagte Daniel etwas.
    »Haben wir das nicht schon abgehandelt?«, fragte er spöttisch. Seine Stimme hatte sich verändert, als wäre ihm Luce reichlich überdrüssig geworden. Er klang wie ein Junge
aus der Dover-Highschool: selbstgefällig, gelangweilt, arrogant. »Es schmeichelt mir ja, wenn du glaubst, dass zwischen uns eine irgendeine besondere Beziehung besteht. Wirklich. Aber du hast es doch nicht nötig, solche merkwürdigen Geschichten zu erfinden, damit ein Junge sich für dich interessiert. Das kriegst du doch auch anders hin.«
    Nein. Bitte nicht. Er dachte, dass sie das nur erfand, um sich interessanter zu machen? Weil ihr sonst nichts anderes einfiel? Luce fühlte sich gedemütigt.
    »Warum sollte ich mir so was ausdenken?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Das weiß ich doch nicht«, antwortete Daniel. »Sag du’s mir. Nein, besser nicht. Das würde zu nichts führen.« Er seufzte. »Weißt du, ich hätte dir das früher sagen sollen, als ich die ersten Zeichen bemerkt habe.«
    Luce setzte sich auf. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Daniel hatte die Zeichen auch gesehen.
    »Ich weiß, dass ich dich vor ein paar Tagen in der Turnhalle habe abblitzen lassen«, sagte er so langsam, dass Luce sich vorbeugte, als könnte sie ihm dadurch die Wörter aus der Nase ziehen. »Da hätte ich dir gleich die Wahrheit sagen sollen.«
    Luce wartete.
    »Bei mir ist verbrannte Erde.« Er tauchte mit einer Hand ins Wasser, pflückte ein Seerosenblatt und zerrieb es. »Ein Mädchen, das ich wirklich geliebt habe. Ist noch nicht lange her. Das hat nichts mit dir zu tun, und ich sage ja gar nicht, dass ich dich nicht mag.« Er schaute zu ihr hoch. Die Sonne ließ einen Wassertropfen in seinen Haaren glitzern. »Aber ich will auch nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst. Es ist nur so, dass ich mich zur Zeit auf niemanden einlassen kann, und das wird sich auch so bald nicht ändern.«

    Oh.
    Luce blickte weg, auf das stille, mitternachtsblaue Wasser hinaus. Vor ein paar Minuten noch hatten sie gelacht und herumgespritzt. Der See ließ jetzt nichts mehr von dieser fröhlichen Stimmung erahnen. Und auch nicht Daniels Gesicht.
    Luce wusste, wie verheerend ein Feuer sein konnte. Ein richtiges Feuer. Sie hatte es erlebt. Wenn sie Daniel von der Geschichte

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