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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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umklammerte die Akte. »Würden Sie sich als Einzelgängerin bezeichnen?«
    »Das reicht jetzt«, mischte sich ihr Vater ein.
    »Lucinda ist eine sehr fleißige, ernsthafte Schülerin«, erklärte Miss Sophia. »Ich habe sie immer nur freundlich erlebt, auch gegenüber Todd Hammond. Was geschehen ist, war ein schrecklicher, bedauernswerter Unfall, mehr nicht.«

    Der Polizist blickte zur offenen Tür, als wünschte er, Miss Sophia würde augenblicklich aus dem Zimmer verschwinden. »Ja, Ma’am. Natürlich. Aber wir haben da unsere Erfahrungen. Bei Schülern an einer Institution wie der Sword & Cross kommt man mit dem Grundsatz ›Im Zweifel für den Angeklagten‹ nicht unbedingt weiter …«
    »Ich erzähle Ihnen alles, was Sie wissen wollen«, sagte Luce, die das Bettlaken in der Hand zerknüllte. »Ich habe nichts zu verbergen.«
    Und dann schilderte sie alles der Reihe nach, so gut sie konnte. Sie sprach langsam und deutlich, damit der Polizist sich seine Notizen machen konnte und keine Fragen offenblieben. Sie bemühte sich erfolgreich, nicht von ihren Gefühlen überwältigt zu werden, obwohl das alle um sie herum irgendwie zu erwarten schienen. Sie blieb sachlich, ließ die Bedrängnis durch die Schatten weg und lieferte eine ziemlich einleuchtende Beschreibung der Ereignisse.
    Sie waren zum hinteren Notausgang gerannt. Am Ende eines langen breiten Korridors führte eine Tür ins Freie. Sie waren nach draußen gelangt, auf die Feuerleiter. Die Stufen hatten steil nach unten geführt, sie waren so in Panik gewesen und vom Rauch halb blind, dass sie beide gestolpert und die Treppe hinuntergefallen waren. Sie hatte Todds Handgelenk losgelassen, sie war gestürzt und mit dem Hinterkopf schwer aufgeschlagen und erst vor einer halben Stunde aus ihrer Ohnmacht erwacht. Das war alles, woran sie sich erinnern konnte.
    Luce schwieg. Es gab für die anderen nicht mehr viel zu klären. Mit der Erinnerung an die wahren Geschehnisse der gestrigen Nacht blieb sie allein - und musste ganz allein gegen den Albtraum der Schatten ankämpfen.
    Als sie geendet hatte, nickte Mr Schultz dem Polizisten
kurz zu, wie um ihm zu bedeuten »Na, sind Sie jetzt zufrieden?«, und Miss Sophia strahlte Luce an, als hätten sie gemeinsam einen großartigen Sieg errungen. Luces Mutter gab einen tiefen und langen Erleichterungsseufzer von sich.
    »Wir werden uns das alles auf der Polizeiwache noch einmal genau durch den Kopf gehen lassen«, sagte der dünne Polizist, während er seine Aktenmappe müde und resigniert zuklappte. Er schien fast zu erwarten, dass die anderen sich bei ihm für seine Dienste bedankten.
    Dann zogen Miss Sophia, der Rechtsanwalt und die beiden Polizisten wieder ab, und Luce war mit ihren Eltern endlich allein im Zimmer.
    Sie blickte sie so inständig bittend und flehend an - Bitte nehmt mich mit nach Hause! -, dass die Unterlippe ihrer Mutter zu zittern anfing und sie dann wegschaute. Ihr Vater schluckte nur einmal kurz.
    »Randy bringt dich heute Nachmittag zurück in die Sword & Cross«, sagte er. »Jetzt guck nicht so schockiert. Der Doktor hat gesagt, dass es dir gut geht.«
    »Mehr als das, blendend«, ergänzte ihre Mutter, aber sie klang unsicher.
    Ihr Vater tätschelte sie am Arm. »Wir sehen uns am Samstag. Bis dahin sind es nur ein paar Tage.«
    Samstag. Luce schloss die Augen. Elterntag. Seit sie in der Sword & Cross war, hatte sie sich darauf gefreut, vom ersten Augenblick an. Doch nun wurde alles von Todds Tod überschattet. Ihre Eltern schienen es richtig eilig zu haben, sie in ihrem Krankenzimmer wieder allein zu lassen. Sie konnten sich immer noch nicht damit abfinden, dass ihre einzige Tochter nun auf eine Besserungsanstalt gehen musste. Ihre Reaktionen waren ganz normal. Sie konnte es ihnen nicht einmal wirklich vorwerfen.

    »Ruh dich jetzt erst mal aus, Luce«, sagte ihr Vater, beugte sich über sie und küsste sie auf die Stirn. »Du hast eine schlimme Nacht hinter dir.«
    »Aber -«
    Doch es stimmte. Sie war erschöpft. Sie schloss kurz die Augen, und als sie sie wieder öffnete, winkten ihr ihre Eltern bereits an der Tür zum Abschied zu.
    Sie pflückte eine weiße Päonie aus der Vase und hielt sie sich nah ans Gesicht. Sie bewunderte die dicht gestaffelten Blütenblätter und die zarten Staubblätter, die winzigen Nektartröpfchen in ihrer Mitte. Sie atmete den zarten Duft der Blüte ein.
    Luce stellte sich vor, wie Daniel den Strauß Pfingstrosen in der Hand hielt. Sie sann darüber nach, wo er

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