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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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konnte. Sie verheilte bereits, aber sie war noch ziemlich frisch.
    »Was ist da mit deiner Stirn passiert?«, fragte sie und streckte die Hand aus, um sanft darüberzustreichen.
    »Weiß ich nicht«, gab er unwirsch zurück und stieß ihre Hand fort, so heftig, dass sie taumelte. »Ich weiß nicht, wo das herkommt.«
    Er schien dadurch stärker aus der Fassung gebracht als Luce, was sie verwunderte. Denn schließlich war es kaum mehr als ein Kratzer, und von ihrem Traum konnte er ja nichts wissen.
    In einiger Entfernung waren Schritte zu hören. Sie drehten sich um.
    »Ich hab dir doch gesagt, ich hab sie nicht gesehen«, schimpfte Molly laut, während sie Cams Hand abschüttelte. Sie gingen auf den Friedhof zu.
    »Lass uns verschwinden«, sagte Daniel, der zu spüren schien, was Luce empfand - jedenfalls schien es ihr so -, noch bevor sie ihm einen nervösen Blick zugeworfen hatte.
    Sie wusste, wohin er sie führte, sobald er die ersten
Schritte getan hatte. Luce folgte ihm. Hinter den Gebäuden entlang bis zur Turnhalle und dann in den Wald. Sie wusste das, wie sie gewusst hatte, dass er Seilspringen würde, noch bevor er damit angefangen hatte. Wie sie von dem Schnitt an seiner Stirn gewusst hatte, noch bevor sie ihn sah.
    Sie gingen im gleichen Tempo nebeneinanderher. Ihre Schritte hatten die gleiche Länge. Ihre Füße berührten im selben Augenblick das Gras, wieder und wieder, bis sie den Wald erreichten.
    »Wenn man mit derselben Person mehr als einmal an einen Ort kommt«, sagte Daniel, fast wie zu sich selbst, »dann gehört er einem nicht mehr ganz allein.«
    Luce lächelte und fühlte sich geehrt, als sie begriff, was Daniel ihr damit zu verstehen gab: dass er vorher noch nie jemanden zum See mitgenommen hatte. Nur sie.
    Als sie durch den Wald gingen, spürte Luce den kühlen Schatten der Bäume. Sie atmete tief ein, der Geruch der Küstenwälder von Georgia, nach vermoderndem Eichenlaub, hatte ihr früher immer Angst eingejagt, weil sie ihn mit den Schatten verband, aber jetzt erinnerte er sie an ihren ersten Ausflug mit Daniel. Sie wusste, dass sie sich nirgendwo mehr sicher fühlen durfte, nicht mehr nach dem Vorfall mit Todd, aber neben Daniel hatte sie das erste Mal seit mehreren Tagen das Gefühl, wieder frei atmen zu können.
    Ob er wohl mit ihr hierher zurückkam, weil er sie beim letzten Mal so plötzlich verlassen hatte? Vielleicht war es ja eine Art Versuch, es wiedergutzumachen. Denn der gemeinsame Ausflug damals, der sich für Luce fast ein bisschen wie ihr erstes Date angefühlt hatte, hatte mit einem schlimmen Korb für sie geendet. Vielleicht bedauerte Daniel ja, was er ihr da angetan hatte, und wollte seinen stürmischen Abgang ungeschehen machen.

    Sie kamen zu der Magnolie auf dem Felsen, dem Aussichtsplatz mit Blick über den ganzen See. Die Sonne zog eine goldene Spur über das Wasser, sie würde bald noch weiter nach Westen wandern. Nicht mehr lange, und das Abendlicht würde alles verwandeln. Dann schien die ganze Welt zu brennen.
    Daniel lehnte an der Magnolie und schaute Luce an, die aufs Wasser schaute. Sie drehte sich um und stellte sich neben ihn unter die wie gewachst wirkenden Blätter und die Blüten, die um diese Jahreszeit schon längst hätten verwelkt sein sollen, aber immer noch so frisch und rein wie der Frühling wirkten. Luce atmete ihren moschusartigen Duft tief ein. Sie fühlte sich Daniel unendlich nahe, obwohl es keinen Grund dazu gab - und genoss dieses Gefühl, das plötzlich wie aus dem Nirgendwo da war. Sie liebte das Rätselhafte daran.
    »Wir sind heute nicht gerade zum Schwimmen angezogen«, sagte Daniel und deutete auf Luces schwarzes Kleid.
    Luce fingerte an dem durchbrochenen Saum herum, der ihre Knie umspielte, und stellte sich das schockierte Gesicht ihrer Mutter vor, wenn sie ihr gutes Kleid ruinierte, weil sie eben mal Lust darauf gehabt hatte, mit einem Jungen in einem See schwimmen zu gehen. »Vielleicht sollten wir nur unsere Füße ins Wasser stecken?«
    Daniel deutete auf den steilen Pfad, der zum See hinunterführte. Sie kletterten hinab und gingen dann eine Weile zwischen dem dicken Schilf und dem Seegras am Ufer entlang. Dann kamen sie an einen Kiesstrand. Das Wasser lag so reglos da, dass Luce fast glaubte darüberwandeln zu können.
    Sie schlüpfte aus ihren schwarzen Ballerinas und steckte
die Zehen ins Wasser. Es war kälter als am Samstag. Daniel griff nach einem Büschel Seegras und fing an, daraus einen Zopf zu flechten.
    Er schaute

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