Engelspakt: Thriller (German Edition)

zurückgekehrt, um seine beispiellose Karriere in der Glaubenskongregation unter Kardinal Monti, dem damaligen Großinquisitor, zu beginnen.
    Ebenso glaubte Gasperetti, Cibans familiären Hintergrund ganz gut zu kennen, auch wenn er bis heute nicht herausgefunden hatte, wie das Verhältnis des Kardinals zu seiner Familie wirklich war. In jedem Fall war Ciban nicht in die unternehmerischen Fußstapfen seines Vaters getreten, sondern hatte etwas völlig anderes studiert. Anstelle von Betriebswirtschaft und Managementwesen hatte er sich erst für ein natur- und schließlich für ein geisteswissenschaftliches Studium entschieden, am Ende sogar Theologie. Das musste zwangsläufig zu Differenzen mit dem Vater geführt haben, einem steinreichen Patriarchen und einflussreichen Mann an der Börse, der als sehr egozentrisch und machtbesessen galt. Wie es hieß, hatte er in den Neunzigern nach einem Finanzskandal sogar mitgeholfen, die Gelder der Vatikanbank zu retten. Doch von den Konsequenzen einer schwierigen Vater-Sohn-Beziehung war in Cibans Profil nicht eine Silbe zu lesen.
    In jedem Fall war das Profil außerordentlich und stimmte mit allem überein, was Gasperetti bereits über den Präfekten wusste und woran er sich seit dem erstmaligen Lesen dieser Informationen erinnerte. Trotzdem war sich Gasperetti sicher, dass etwas Entscheidendes fehlte.
    Als Nächstes öffnete er Schwester Catherines Profil. Auch hier genau das Gleiche: Besuch einer katholischen Grundschule für Hochbegabte. Nach einem Zwischenfall in der Grundschule dann der Wechsel zu jenem Institut für medial Hochbegabte, an dem Pater Darius tätig war. Teilnahme an dem Projekt »Corona«. Anschließend Studium an der Georgetown University in Washington. Auch Catherine Bell hatte eine außerordentliche Karriere hingelegt, bis hin zu ihrer aktiven Mitgliedschaft im Lux Domini, von dem sie sich nun distanzierte, und ihrer Karriere als populäre Sachbuchautorin.
    Der Inhalt des Profils deckte sich exakt mit Gasperettis Wissen und seinem Eindruck von der Nonne, doch davon abgesehen stimmte auch bei diesem Profil irgendetwas nicht.
    Beiden Profilen hafteten keinerlei Ecken und Kanten an, die Gasperetti nicht schon kannte oder erwartet hätte. Er sah nach, wer die Texte verfasst und zuletzt aktualisiert hatte. Darius!
    Das letzte Update war aus der Woche, bevor Darius in Ruhestand gegangen war, also von vor zwei Jahren. Seither hatte sich niemand mehr damit befasst.
    Gasperetti legte die beiden Profile nebeneinander und ging sie noch einmal Punkt für Punkt durch.
    Trotz all der Daten über Ciban blieb ihm der jüngere Kardinal ein Rätsel. Einerseits sprach Darius bei Ciban von einem hohen moralischen Codex, andererseits hatte der Pater in seiner Funktion als Psychiater eine ungewöhnliche Bipolarität diagnostiziert, und zwar auch in religiöser Hinsicht. Bell hingegen schien in vielerlei Punkten das Gegenstück zu Ciban zu sein. Lag darin vielleicht der Schlüssel?
    Gasperetti rief das Profil von Darius ab. Der alte Gelehrte war in jedem Fall eine Art Bindeglied zwischen den beiden, denn er hatte sowohl Catherine als auch Ciban in die Geheimnisse der geistigen Welt eingeweiht. Gasperetti war sich inzwischen mehr als sicher, dass Darius die wesentlichen Erkenntnisse, die er über seine beiden Schüler gewonnen hatte, mit ins Grab genommen hatte. Jedenfalls war nicht eine einzige Besonderheit in der LUKAS -Datenbank registriert.
    Wie und warum war Darius im letzten Jahr tatsächlich gestorben? Gasperetti glaubte nicht an die offizielle Version vom Kletterunfall in den bayerischen Bergen. Noch rätselhafter erschien ihm der plötzliche Herzstillstand von Kardinal Benelli während eines festlichen Empfangs in dessen eigener Villa.
    Gasperetti verglich nun alle drei Profile auf dem Großbildschirm Punkt für Punkt. Darius. Ciban. Catherine. Was stimmte damit nicht?
    Dann fiel ihm etwas anderes auf. Ciban hatte eine Schwester gehabt. Sarah. Seltsamerweise wurde sie mit keiner Silbe im Profil des Kardinals erwähnt. Gespannt rief Gasperetti Sarah Cibans psychologisches und mediales Profil auf und erlebte eine echte Überraschung: Irgendjemand hatte den Eintrag aus der Lux-Datenbank gelöscht.

27.
    Coelho wandte den Blick von der Luftaufnahme des Campo de’ Fiori ab und musterte Catherine. Fast hätte ihm die attraktive und äußerst rätselhafte Ordensfrau den Tatort auf der Google-Earth-Ansicht gezeigt, aber im letzten Augenblick hatte sie ihre Hand