Engelsrache: Thriller
Ihre Enkelkinder, die brauchen Sie doch.« Als ich seine Enkel erwähnte, fingen seine Augen an zu flackern. Immer noch floss das Blut in Strömen aus seiner Wunde, und sein Atem ging schwer. Ich hatte kaum Hoffnung, dass er es schaffen würde.
Neben mir drehte ein Aufseher gerade Darren auf den Rücken und begann mit der Mund-zu-Mund-Beatmung. Dann erschien der Beamte, der wieder in das Gebäude gerannt war, mit einem Erste-Hilfe-Kasten und drei weiteren Wachtmeistern. Die Männer gaben mir eine Mullbinde, mit der ich die Wunde notdürftig abdeckte.
»Was ist denn passiert?«, fragte einer von ihnen.
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich habe Schüsse gehört. Dann bin ich ans Fenster gerannt und habe die beiden hier unten liegen sehen.«
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis endlich Sirenen näher kamen. Dann herrschte plötzlich ohrenbetäubender Lärm. Zwei Rettungswagen und ein schweres Polizeiauto fuhren vor und kamen etwa einen Meter neben mir zum Stehen. Sekunden später war ich von uniformierten Männern und Frauen umgeben. Ich stand auf und trat beiseite. Ich konnte nichts mehr tun.
Die Helfer legten David einen Notverband an, schnallten ihn auf eine Trage und schoben ihn in einen Rettungswagen. Genauso verfuhren sie mit Darren, obwohl alle Anwesenden wussten, dass er bereits tot war.
Dann brausten die Ambulanzen wieder davon, und ich blieb wie betäubt auf dem Rasen stehen. Dann kam mir ein Gedanke, und mir wurde übel. Ob Maynard mich dazu benutzt hatte, seine Flucht zu planen? Dass ein Anwalt einem Mandanten eine Besuchserlaubnis verschaffte, war völlig normal. Aber die Frau, die Maynard in das Auto geholfen hatte, konnte nur Bonnie Tate gewesen sein. Auch wenn ich sie noch nie gesehen hatte, konnte es gar nicht anders sein.
Das soll jetzt kein Heiratsantrag sein oder so was. Aber Sie sind echt ein anständiger Bursche, hatte Maynard in dem Gespräch damals zu mir gesagt.
Anständiger Bursche. Ich ging mit hängendem Kopf wieder in das Gerichtsgebäude. Meine Beine waren bleischwer. Dann fiel mir auf, dass meine Hände und mein Hemd rot verfärbt waren, David Bowers Blut. Anständiger Bursche. Als ich an diesem herrlichen Morgen so im strahlenden Sonnenschein langsam durch den Hof ging, kam ich mir alles andere als anständig vor. Ich fühlte mich schmutzig, und ich wollte nur eines: dass endlich alles vorbei war.
7. Juli
23:45 Uhr
Da er alleinstehend war, über ein beträchtliches Einkommen verfügte und Mr und Mrs Gus Barlowe in der Vergangenheit des Öfteren anwaltlich beraten hatte, fand Charles B. Dunwoody III. nichts daran auszusetzen, sich gelegentlich im Mouse’s-Tail-Herrenclub verwöhnen zu lassen. Wenn er mit seinen engsten Vertrauten mal über das Thema sprach, bezeichnete er seine Abenteuer gerne als ein bisschen Spaß mit den nackten Schönheiten des ländlichen Südens. Stolz war er zwar nicht unbedingt auf die Dinge, die er dort so trieb, trotzdem ließ er im Country Club im Kreis seiner Männerfreunde bisweilen verlauten: »Ich bitte das schlichte Wortspiel zu entschuldigen, aber ein Gentleman muss einfach hier und da alles raushängen lassen.«
Gus Barlowe hatte häufig Dunwoodys Rat gesucht, doch die meisten Fragen, um die es dabei gegangen war, unterlagen natürlich der anwaltlichen Schweigepflicht. Dunwoody hatte rasch begriffen, dass Mr Barlowe ein äußerst umtriebiger Geschäftsmann war, der beträchtliche Summen einnahm und unbedingt einen kreativen und geschickten Rechtsbeistand brauchte, der ihm die Strafverfolgungsbehörden vom Hals hielt. Da Dunwoody sich vor allem im Bereich des Unternehmensrechts und des internationalen Bank- und Finanzwesens auskannte, hatte er Gus Barlowes Belange stets zu dessen voller Zufriedenheit zu regeln vermocht. Dass Barlowe großzügig und dazu noch in bar bezahlte, hatte Dunwoody die Geschäftsbeziehung noch zusätzlich versüßt.
Mrs Barlowe, die die Geschäfte ihres Mannes seit dessen Ableben mit großem Geschick weiterführte, hatte an einem Donnerstagabend im Juli die VIP-Lounge für ihn reserviert. Dort verbrachte er mit drei der hübschesten Flittchen, die er je zu Gesicht bekommen hatte, einige herrliche Stunden. Eines musste Dunwoody Mrs Barlowe lassen – bei der Auswahl ihrer Huren bewies die Frau stets einen exzellenten Geschmack. Inzwischen war es schon spät geworden, und Dunwoody wurde langsam müde. Er hatte dem Cognac etwas reichlicher zugesprochen als sonst und sich im Laufe des Abends mit jeder der drei jungen Damen
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