Engelsrache: Thriller
keine Vorrichtung gab, ihn am Boden festzuketten, befestigten die Wärter seine Fußfesseln mit Ketten an den Stuhlbeinen. Sollte er auf die Idee kommen, mich anzugreifen, musste er den ganzen Stuhl hinter sich herschleppen.
»Möchten Sie, dass wir hier warten?«, fragte einer der Aufseher.
»Nein, danke. Ich habe schon öfter mit Mr Bush gesprochen.«
»Wenn er Probleme macht, rufen Sie uns einfach«, sagte der Mann. »Wir sind direkt vor der Tür.«
Ich sah Maynard an, der mir in seiner gestreiften Sträflingskleidung gegenübersaß. Vorn und hinten war in Leuchtschrift das Wort HOCHSICHERHEIT auf seinen Anzug gedruckt. Er blickte ins Leere und hatte das Gesicht zu dem üblichen widerlichen Grinsen verzogen.
»Hoffentlich war das alles nicht ein bisschen viel für Sie«, sagte ich.
»Danke noch mal für die Hilfe«, entgegnete er.
»Sie verdammter Hurensohn. Sie haben mich hintergangen.«
»Stimmt genau. Sie haben in beiden Punkten recht, Herr Anwalt. Meine Mama war tatsächlich eine Hure, und hereingelegt habe ich Sie auch. Aber machen Sie sich deshalb keine Gedanken. Ich habe euch ohnehin alle reingelegt. Was glauben Sie wohl, weshalb ich unbedingt verlegt werden wollte? Weil ich wusste, dass die Sicherheitsvorkehrungen in Mountain City nicht so gut sind.«
»Warum, Maynard?«, fragte ich. »Wie konnten Sie nur so etwas unglaublich Dummes anstellen?«
»Die alte Vettel wollte ich ohnehin seit zwanzig Jahren abknallen. Hätte ich schon als Kind tun sollen. Mir tut nur leid, dass alles so schnell gehen musste. Hatte mich darauf gefreut, die Alte ein bisschen zu quälen.«
»Sind Sie etwa deshalb ausgebrochen? Weil Sie Ihre Mutter umbringen wollten?«
Er sah mich lächelnd an.
»Und weshalb mussten Sie auch noch Bonnie Tate umbringen, wieso?«
Er zuckte mit den Achseln. »Bevor die beiden Bullen kapiert hatten, was los ist, hatte sie mir schon die Knarre in die Hand gedrückt, und dann hat sie mich in ihr Auto gesetzt und mich weggebracht. Alles genau, so wie ich es ihr gesagt hatte. Sie war für den Tod der beiden genauso verantwortlich wie ich. Aber ich habe mir gedacht, dass es ihr im Knast nicht gefallen wird, also habe ich das Problem für sie gelöst. Außerdem war sie für mich sowieso zu nichts mehr nütze.«
»Dann haben Sie jetzt also vier weitere Mordanklagen am Hals«, sagte ich. »Wegen der beiden Beamten, und dann noch wegen Tate und wegen Ihrer Mutter.«
»Ich weiß, wie viele Leute umgekommen sind. Ich kann zählen.«
»Der Richter will Sie zuerst wegen der jungen Leute belangen, dann wegen der Polizeibeamten, anschließend wegen Bonnie und schließlich wegen Ihrer Mutter, aber es gibt da ein Problem. Das Gesetz schreibt vor, dass die Anklageerhebung sehr bald stattfinden muss. Normalerweise passiert das innerhalb der ersten zweiundsiebzig Stunden nach der Verhaftung. Da Sie ein besonderes Sicherheitsrisiko darstellen, kann sich das Gericht allerdings auch etwas länger Zeit lassen. Hier ist eine Verzichtserklärung, für die ich Ihre Unterschrift brauche. Wenn Sie die Erklärung unterzeichnen, gestatten Sie es dem Gericht, sich mit der Anklageerhebung wegen der neu hinzugekommenen Straftatbestände bis zu dreißig Tagen Zeit zu lassen. Aber wahrscheinlich wird das Hauptverfahren ohnehin schon nächste oder übernächste Woche eröffnet. Sie müssen die Erklärung nicht unterzeichnen, aber es spricht eigentlich nichts dagegen. Am Ende landen Sie nämlich ohnehin in der Todeszelle.«
Ich zog das Dokument aus meiner Aktentasche und stand auf, um zu ihm zu gehen. Er war zwar zusammengeschnürt wie ein Brathähnchen, trotzdem hatte ich zugegebenermaßen etwas Angst. Ich legte ihm die Aktentasche auf die Oberschenkel und drückte ihm den Federhalter in die rechte Hand. Dann unterzeichnete er das Dokument an der dafür vorgesehenen Stelle.
»Wissen Sie, mehr als ein Mal können die mich ohnehin nicht umbringen«, sagte er.
»Reicht es Ihnen immer noch nicht, Maynard? Sie haben Ihre eigene Mutter getötet. Reicht Ihnen das noch nicht? Oder wollen Sie etwa jeden umbringen, der Ihnen in die Hände fällt, bevor man Ihnen schließlich die Nadel in den Arm sticht?«
»Mit mir brauchen Sie sich nicht mehr lange herumzuärgern.«
»Wieso das? Denken Sie etwa an Selbstmord?«
»Nein, dazu mag ich mich selbst viel zu sehr. Aber die Kollegen hier im Knast werden mich kaltmachen, Dillard. Merken Sie sich das.«
»Wen meinen Sie denn?«
»Ich habe hier im Bezirk zwei Polizeibeamte umgebracht.
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