Engelsschmerz
wieso sollte ich mich gegen die Liebe stellen? Findest du deine Bitte, die keine war, nicht ein wenig anmaßend?“
„Nein“, antworte ich beleidigt und verschränke meine Arme vor der Brust. „Und Sie sollen etwas dagegen tun, weil Aiden und Gabriel auf mich nicht hören.“
„Ich frage erneut, warum sollte ich?“
Welche Antwort erwartet er denn von mir? „Sind Sie hier der König oder nicht?“
„König?“ Michael lehnt sich schmunzelnd in seinem Stuhl zurück. „Ich bin kein König, ich bin der Älteste. Der erste Engel, der je geboren wurde.“
„Engel werden geboren?“, frage ich verwundert und ernte dafür ein Nicken. „Ich dachte, ihr holt sie von der Erde.“
„Nicht alle. Geborene Engel sind selten und mächtig. Sie haben andere Bedürfnisse als Engel, die von der Erde zu uns kommen.“
Ich habe keine Ahnung, wovon Michael redet, und ich bin mir nicht sicher, ob ich eine Erklärung dafür haben will, was er da gerade andeutet. Ich bin jung, aber nicht dämlich. Als ich zum ersten Mal bei Michael um eine Audienz bat, hatte ich mich auf eine verdammt lange Wartezeit eingestellt, und darauf, vom Rat immer wieder abgewiesen zu werden. Stattdessen wurde ich heute ohne Problem zu Michael vorgelassen. Und zwar weil er damit gerechnet hatte, dass ich schon früher komme. Dieser Oberengel, König, Boss, was immer er ist, verschweigt mir etwas, darauf verwette ich mein letztes Hemd, und ich werde herausfinden, was das ist.
„Wieso habe ich nur das komische Gefühl, dass Ihnen die Sache höllisch Spaß macht?“ Michael zwinkert mir grinsend zu, das ist Antwort genug für mich. „Das gibt es doch gar nicht. Aiden und Gabriel sind geborene Engel, wollen mich in ihren Betten, und Sie finden das lustig?“
„Du musst zugeben, junger Freund, dass es doch sehr erheiternd ist, ihnen zuzusehen, wie sie um deine Gunst buhlen.“
Das schlägt ja wohl dem Fass den Boden aus. „Ich will aber nicht, dass die zwei weiter um meine Gunst buhlen. Ich bin doch keine Trophäe.“
Michael runzelt irritiert die Stirn. „Siehst du dich so? Vermitteln sie dir diesen Eindruck? So darf es nicht sein, Elias. Du bist ein Gefährte, ein Partner, aber kein Pokal in einem Wettstreit, den Aiden oder Gabriel gewinnen können.“
Rede ich in einer Fremdsprache, ohne es zu merken, oder will dieser Engel nicht begreifen, warum ich hier bin? „Herrgott, Michael, ich will überhaupt kein Partner sein. Weder von Aiden noch von Gabriel. Ist das denn so schwer zu verstehen?“
„Du bist, was sie brauchen.“
„Wie bitte?“, frage ich verdutzt und sehe Michael an. „Moment mal, Gabriel hat gesagt ...“
„Eine Lüge“, unterbricht Michael mich trocken. „Von der weder Aiden noch Gabriel wissen. Ich habe dies so entschieden, als Gabriel geboren wurde und ich in seinen Augen erkannte, wem sein Herz gehört. Todesengel und Wächter verbinden sich nicht. Niemals. Zumindest war es bislang so. Du kannst dir unser Erstaunen garantiert vorstellen. Der Rat schlug vor, einen Dritten zu suchen, um diese erstaunliche Verbindung möglich zu machen, weil wir wussten, dass Aiden und Gabriel ohne Hilfe nie von allein aufeinander zugegangen wären. Beide sind einsam und du durchbrichst ihre Einsamkeit. Du bist der Richtige.“ Michael erhebt sich wieder und tritt an das deckenhohe Fenster hinter sich, um nach draußen zu blicken. „Hast du dich niemals gefragt, warum du immer Glück hattest? Keine Unfälle, keine Krankheiten. Gute Noten, ein toller Job, Freunde und eine perfekte Familie … Zwei Schutzengel wachten über dich, bis der Tag reif war, zu uns zu kommen.“
„Jetzt muss ich mich setzen“, ist alles, was mir zu dieser Eröffnung einfällt, und ich lasse mich auf einen der beiden Besucherstühle sinken.
Ich bin ein Bindeglied, um zwei uralte Engel glücklich zu machen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das gibt es doch gar nicht. Das ist vollkommen irre. Aber es erklärt so einiges, was in den letzten Wochen passierte und worauf ich mir keinen Reim machen konnte. Zum Beispiel, warum sich niemand darüber wunderte, dass Aiden und Gabriel so offen um mich werben.
„Wer weiß davon? Alle?“
„Ausgenommen euch drei, weiß es jeder. Ich habe dafür gesorgt, um es euch leichter zu machen, langsam zueinander zu finden. Ich hatte damit gerechnet, dass es sehr schnell die Runde machen und auch an eure Ohren dringen würde, aber offenbar ist das nicht geschehen. Und dafür bin ich meinen Engeln dankbar.“ Michael
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