Engelsschmerz
wendet sich mir zu. „Du bist zu mir gekommen, um die Wahrheit zu erfahren, und mir ist klar, dass du Fragen hast … Stell' sie!“
Ein verlockendes Angebot und wahrscheinlich fallen mir in den kommenden Stunden hunderte von Fragen ein, aber im Moment will ich nur eines wissen. „Warum ich?“
Michael seufzt. „Diese Frage habe ich erwartet, aber ich kann sie dir leider nicht beantworten. Ich sehe in den Augen aller ihre Zukunft und sorge dafür, dass sich diese Zukunft erfüllt. Manchmal auf ungewöhnlichen Wegen, das mag sein, doch bekanntlich heiligt der Zweck die Mittel … so sagen die Menschen doch, nicht wahr?“
„Darauf werde ich nicht antworten“, murre ich und weiß nicht, ob ich auf Michael wütend sein soll oder nicht.
„Wirst du sie erhören?“, will er wissen.
„Erhören?“ Schnaubend verdrehe ich die Augen. „Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen? Eine Beziehung zu zwei Mä … Engeln, wie soll das denn gehen?“
Michael zuckt hilflos mit seinen breiten Schultern. „Das kann ich dir nicht sagen, Elias. Eine Bindung wie diese, gab es noch nie. Partnerschaften unter Engeln sind üblich, aber nicht in der Form. Schutzengel bleiben unter sich, genauso wie die Wächter oder die Todesengel. So war es immer.“
„Warum dann jetzt nicht mehr?“, frage ich hilflos und verbeiße mir bei seiner Antwort einen Fluch. „Schicksal? Das ist doch keine Erklärung.“
„Es ist die einzige, die ich habe. Selbst ich weiß nicht auf alles eine Antwort.“
„Toll“, knurre ich wütend.
Michael beeindruckt mein Ärger nicht, jedenfalls lässt er sich nichts dergleichen anmerken, während sein Blick durch den Raum schweift und am Ende auf meinem Gesicht hängenbleibt.
„Vielleicht ist die Zeit reif, dass Engel sich vermischen … dass die einzelnen Gruppen ihre Isolation aufgeben. Du hast selbst bemerkt, dass deine Umgebung auf euch anders reagiert, als erwartet. Kaum ein Engel lehnt ab, was sich zwischen dir, Aiden und Gabriel entwickelt. Wie gesagt, ich wollte es euch für den Anfang so leicht wie möglich machen. Das Gute kann nicht ohne das Böse existieren, Elias. Auch auf meine Engel trifft das zu. Ich habe lange gebraucht, um es zu akzeptieren. Vielleicht solltest du das auch tun.“
„Gabriel und Aiden?“ Ich seufze tief auf. „Sie werden sich früher oder später die Köpfe einschlagen.“
Michael grinst. „Nicht wenn du sie davon abhältst.“
„Ich soll … Ach du scheiße.“
Mir wird heiß und kalt zugleich, als mir im nächsten Augenblick klar wird, was es eigentlich für mich heißen wird, das Bindeglied zwischen Aiden und Gabriel zu sein. Die zwei wollen erreichen, dass ich mich zwischen ihnen entscheide. Gabriel und Aiden haben keine Ahnung, dass sie füreinander bestimmt sind. Wenn ich ihnen das sage, lachen die beiden mich aus. Und gehen dann vermutlich aufeinander los.
„Sie können sich nicht ausstehen“, werfe ich in den Raum. „Wenn ich diesen Sturköpfen die Wahrheit sage, lachen sie mich aus.
„Ich weiß“, kontert Michael ruhig, was mich frustriert aufstöhnen lässt.
„Ich muss also alleine zusehen, wie ich klarkomme.“
„Du bist der einzige, der es kann, Elias“, sagt Michael und ich höre, wie er langsam zu mir kommt und sich vor mir auf die Kante seines Schreibtisches setzt. „Du bist ihr Bindeglied, sie spüren es bereits, aber noch glauben sie nicht daran. Es liegt an dir, ihnen diesen Glauben an sich selbst zu geben.“
„Und wie soll ich das anstellen?“
„Ich weiß es nicht. Diese Frage musste ich mir zuvor niemals stellen.“ Michael dreht einen Bilderrahmen um, der neben ihm auf dem Schreibtisch steht. Es ist ein Foto von einem schwarzhaarigen Mädchen im Teenageralter, die einen blonden Jungen im gleichen Alter anlacht, der nicht Michael ist. „Das ist Madeleine. Sie wurde für mich geboren. Vor 14 Jahren.“
Mein Mund formt ein 'Oh', als mir bewusst wird, was das bedeutet. „Und wann …?“
„In zwei Jahrzehnten. Sie wird bei einem Überfall sterben. Ich weiß noch nicht, wie ich ihr Vertrauen und vor allem ihre Liebe gewinnen kann, aber ich werde es tun, weil sie zu mir gehört. Wie Gabriel und Aiden zu dir. Dein Herz ist zu groß für einen Engel allein und das ist etwas Besonderes, sogar für uns. Halte dir das immer vor Augen, wenn die zwei dir in Zukunft den letzten Nerv rauben werden.“
Ich muss unwillkürlich grinsen. „Das haben Sie bei meinem Todes zu Aiden gesagt.“
Michael lacht. „Ich wusste, dass du
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