Engelsschmerz
zuhörst. Ich weiß sehr viele Dinge.“
Ich bin nicht sicher, ob ich fragen darf, aber da gibt es etwas, das mich nicht erst seit gestern interessiert. „Ist es eigentlich schwer, so viel zu wissen?“
„Manchmal“, gibt Michael nachdenklich zu. „Früher wollte ich die Dinge ändern, weil ich sie für falsch und ungerecht hielt. Aber das darf ich nicht. Es war schwer, dies als gegeben hinzunehmen, doch seit ich es tue, ist es leichter … Das wird es auch für dich sein, wenn du Matthew eines Tages gehen lässt.“
Ich zucke zusammen und das entgeht Michael nicht. Aber er sagt nichts dazu, schaut mich nur abwartend an, und ich kann mich natürlich nicht beherrschen. „Ich werde bestimmt nicht jubeln, wenn er mit diesem Säufer glücklich wird, der mich umgebracht hat.“
Michaels Blick wird ernst. „Ich verstehe deinen Zorn Elias, aber ich frage dich … Hat Cullen Wilks denn keine zweite Chance verdient? Verdient dein Freund sie nicht? Willst du so egoistisch sein und ihnen verwehren, was du selbst gefunden hast?“
„Ich habe gar nichts gefunden!“
„Noch nicht.“
Michael hat recht und das ärgert mich. Doch das ändert nichts daran, denn Matthew hat nicht verdient, mir den Rest seines Lebens nachzutrauern. Wenn er sich mit diesem Kerl eine Zukunft aufbauen kann, dann ist es verdammt noch mal meine Pflicht ihm das irgendwie zu ermöglichen. Ob es mir nun gefällt oder nicht, was es nicht tut. Vielleicht wird es das irgendwann, aber noch bin ich zu wütend dafür. Ich sehe auf den schmalen Ring an meiner Hand.
„Wie kann ich ihn loslassen?“, frage ich Michael leise und breche mir an den fünf Worten fast die Zunge ab.
„Nimm deinen Ring ab.“
Ich blicke überrascht von dem matt schimmernden Platin zu Michael hoch. „Das ist alles?“
Er nickt. „Ja, das ist alles. Doch tu' es erst, wenn du tief in deinem Herzen dazu bereit bist, Elias. Und um die Fragen zu beantworten, die wichtig, dir aber entfallen sind … Ich habe dafür gesorgt, dass Matthew dich hören konnte. Du musstest begreifen, dass er für dich verloren ist. Und Gabriels Strafe, in Bezug auf das Buch, ist mein Verbot, in den kommenden 250 Jahren neue Todesengel zu rekrutieren.“
„Ist das eine schwere Strafe?“
„Es gehört zum Dasein eines Todesboten, um Seelen zu spielen, sie zu umgarnen und zu verführen. Das für mehrere Jahrhunderte nicht tun zu dürfen, ist eine Qual die jüngere Engel als Gabriel nicht aushalten würden“, erklärt Michael und meine Lippen formen ein erstauntes 'Oh', was ihn zum Lächeln bringt. „Und jetzt geh', mein junger Freund. Aiden und Gabriel warten unten auf dich. Sofern meine Erinnerung mich nicht trübt, hast du ein Gespräch zu führen.“
Ein Gespräch führen , äffe ich Michael eine Stunde später nach und fahre mir dabei seufzend durchs Haar. Als wenn es das Ganze einfach wäre. Wir sind in meinem Zimmer und der Raum ist für zwei Engel von Aidens und Gabriels Format eindeutig zu klein. Ich komme mir vor, als würden wir in einer beengten Besenkammer hocken, soviel gefühlten Platz nehmen sie ein. Dabei halten die beiden Abstand, so weit es möglich ist.
Aiden lehnt gegenüber am Kleiderschrank, Gabriel links von mir an der Fensterbank. Sie starren mich an, als wären mir soeben Hörner auf der Stirn gewachsen. Kein Wunder. Ich habe ihnen erzählt, was Michael zu mir gesagt hat, und natürlich glauben sie mir nicht, das sehe ich ihnen an.
„Wie bitte?“, fragt Aiden ungläubig. „Michael hat dir erzählt, dass wir ...“ Er verstummt, schließt die Augen und schüttelt den Kopf, bevor er mich wieder ansieht. „Das ist vollkommen unmöglich. Das musst du falsch verstanden haben.“
„Michael war recht deutlich in seinen Worten, Aiden, ich habe ihn richtig verstanden.“
Gabriel sieht aus dem Fenster und beißt sich auf die Lippe. Irgendwie wirkt er auf mich, als würde er gegen ein Lachen ankämpfen. Hoffentlich bemerkt Aiden das nicht, sonst streiten sich die beiden gleich wieder, und darauf habe ich keine Lust. Deswegen lehne ich mich auf dem Bett zurück und räuspere mich vernehmlich.
„Ihr könnt mir glauben oder nicht. Fragt Michael, er wird euch dasselbe erzählen. Aber um mal zum Ende zu kommen, ich möchte es gern versuchen.“
Ein spontaner Entschluss und ich weiß nicht, wer von uns überraschter ist. Aiden und Gabriel oder ich selbst. Aber ich bin mir auf einmal sicher. Es ist den Versuch wert. Was immer am Ende aus uns dreien wird, ob es
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