Engelsstern
die Macht, die Psyche zu beeinflussen. Er missbraucht seine Macht als Schutzengel.«
»Aber wehrt sich Luzifer denn nicht dagegen?«
»Das sollte man meinen. Aber genau das ist ja der Kick für Hadrian, seine ewige Gier nach mehr. Klar wird Luzifer sich irgendwann gegen Hadrian stellen, ganz ohne Frage. Aber bis dahin macht Hadrian vor nichts und niemandem halt, um sein Ziel zu erreichen.«
»Nämlich Kontrolle über die Schutzengel zu erlangen?«, fragte ich, nachdem ich endlich kapiert hatte.
Garreth sah nachdenklich in die Ferne. »Um so die Menschen auf der Erde zu manipulieren.«
Garreth konnte einem leidtun. Er beschützte mich, aber wer beschützte ihn? Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Innerlich wurde mir eiskalt. Mein Herz raste bei der Erinnerung an die Albträume und das merkwürdige Flattern in meinem Zimmer, wenn ich schlafen wollte. Ich hatte gehofft, Garreth käme vorbeigeflattert, um nach dem Rechten zu sehen, wenn ich schlief. Wer hätte es sonst sein sollen? Mit Mühe hatte ich die Erinnerungen verdrängt, die jetzt wieder an die Oberfläche schossen, als mein Unterbewusstsein die Puzzleteile zusammensetzte.
Ich wusste sofort, wem die schwarzen Flügel in der Ecke meines Schlafzimmers gehörten. Mein Bewusstsein hatte dagegen angekämpft. Garreth hatte sein Geheimnis schließlich nicht hinter einem Schleier aus Schatten versteckt, sondern sich mir in einem himmlischen Lichtschein offenbart.
Die nächsten Worte brachte ich kaum über die Lippen. »Du hast gesagt, die Dunkelheit hat viele Gesichter.«
Garreth war einen Moment lang still.
»Du bist anders als andere Menschen, Teagan. Du spürst, wenn ich da bin, und das gibt dir eine magnetische Anziehungskraft. Erinnerst du dich an den Augenblick, unmittelbar bevor du am Bordstein gestolpert bist? Was hast du da gesehen?«
»Da war was Schwarzes, Wolkenartiges. Wie eine fette Auspuffwolke, aber sie kam nicht von den Bussen.« Ich stocherte in meiner Erinnerung. »Ich hab so was noch nie gesehen.« Ich schüttelte den Kopf, wollte mich erinnern und die Erinnerung gleichzeitig vermeiden.
»W ar das …?«
»Ja. Hadrian.«
Ich zitterte am ganzen Körper. »Er will, dass ich ihn zu dir bringe, stimmt’s?«
Das war zu viel. Ich wollte es nicht glauben, aber so war es. Wir waren echt das perfekte Paar. Die Tränen flossen, und ich wischte sie wütend weg. Engel sind an Gefühle gewöhnt, aber für mich war Garreth immer noch ein Junge, und es war ganz ausgeschlossen, vor ihm zu heulen.
Garreth lehnte sich vor und stützte den Kopf in die blassen Hände. Er seufzte. »Hadrian ist hinter dir her. Du bist anders als die anderen Menschen, die er für seine Armee sammelt. Ich steh bloß im Weg.«
»Inwiefern bin ich anders?«
»W arum, meinst du, ist Hadrian bereit, sich jemand so Unheilvollem wie Luzifer entgegenzustellen?«
Ich schwieg. Er schien meiner Frage auszuweichen.
»Hadrian ist Luzifers Zwilling.«
»Dann liegt’s wohl in der Familie«, war mein Versuch, die Stimmung etwas aufzuhellen.
»Nicht ganz. Luzifer wurde aus dem Himmel verbannt, bevor er ein Schutzengel werden konnte. Er hat sich geweigert. Hadrian dagegen war zunächst einmal der gute Bruder. Der weiße Bruder, Luzifer, war seine schwarze Hälfte. Er hat das so gewollt.«
Ich verstand die einzelnen Worte, aber sie ergaben im Zusammenhang wenig Sinn. Jetzt rächte sich, dass ich in all den Jahren im Religionsunterricht nicht besser aufgepasst hatte.
Garreth fuhr fort: »Du weißt ja, dass Luzifer ursprünglich ein Erzengel war, genau wie sein Bruder Hadrian.«
Ich nickte, war aber nicht sicher.
»Das Wesen des Erzengels geht auf seinen menschlichen Schützling über, wie auf einen Blutsverwandten. Du bist unsere Hoffnung, Hadrian aufzuhalten.«
Das hatte ich ganz und gar nicht erwartet. Und auch das war mal wieder kaum zu glauben.
»Aber du bist kein Erzengel, oder?«
»Ich wünschte, ich wäre einer, dann hätte ich Macht über die Dunkelheit. Aber du, ob du’s glaubst oder nicht, bist stärker als ich.«
»Ich? Wie denn?« Ich suchte nach Worten.
Unsere Blicke fanden sich stillschweigend, und ich wusste genau, was jetzt kommen würde. Ich konnte es fühlen.
»Hadrian war der Schutzengel deines Vaters. Also liegt es an dir, ihn zu vernichten.«
KAPITEL 10
Ich traute meinen Ohren kaum.
»Meines Vaters?«
Mein ganzes Leben lang war er ein Geheimnis gewesen, abgesehen von den paar Bildern bei uns zu Hause. Mit Absicht hatte ich für mich mit ihm
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