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Engelsstern

Engelsstern

Titel: Engelsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Murgia
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durchgemacht, und bald wirst du deine ganze Kraft brauchen. Wenn Hadrian schon Ryans Schutzengel unter seiner Kontrolle hat, ist er viel dichter an uns dran, als ich dachte.«
    Ich wollte widersprechen und unbedingt wach bleiben, wurde aber vom Schlaf in die Knie gezwungen und gab widerwillig nach. Der Abend, die Aufregung, der Kuss, alles brach wie eine Welle über mich herein und riss mich mit. Ich lag geschützt in den Armen meines Engels, und sein Atem an meinem Ohr wirkte wie ein Gutenachtlied.
    »Bleib hier«, flüsterte ich, verschränkte meine Finger in seinen und hielt ihn fest, so lange es noch ging.
    Ich war todmüde und konnte meine Augen schon nicht mehr offen halten. Beruhigt überließ ich mich dem Schlaf, weil heute Nacht sicher nichts im Schatten auf mich lauern würde.
    Ich irrte mich.

KAPITEL 15

    Der Stern veränderte sich. Zuerst waren die Spitzen im blassen Licht der untergehenden Sonne in meinem Traum deutlich zu sehen. Wie immer war ich gebannt von dem Anblick. Dann schloss sich die Hand, in die der Stern eingraviert war, und zerquetschte ihn. Als sich die Hand wieder öffnete, wehte Staub aus ihr, und übereinandergelegte Quadrate hatten den achteckigen Stern ersetzt, der vorher dort gewesen war.
    Das geschah wieder und wieder, die Sterne wechselten einander ab. Der schöne Stern wollte bleiben, der andere warf seinen Schatten über ihn und zerdrückte ihn zu Staub. Die Quadrate kamen immer wieder zum Vorschein, ihre Linien glühten rot, wie mit Blut gezogen. Der Stern jagte mich durch einen dunklen, dichten Wald, der mir irgendwie bekannt vorkam.
    Geduckt wich ich Bäumen aus, stolperte, kam wieder auf die Füße, nur um gleich wieder zu stolpern. Mein Herz raste vor Angst, ich rannte um mein Leben auf einen hellen Schein auf einer Lichtung zu, war aber nicht schnell genug. Die Bäume flogen links und rechts an mirvorbei, ich wurde fast blind, schneller konnte ich einfach nicht. Ich schrie den Namen meines Engels, bis ich heiser war, aber nur mein eigenes Echo hatte den Mut, mir zu antworten.
    Endlich sah ich weiße Flügel, schöner denn je, und mein Herz machte einen Sprung. »Garreth!«
    Ich rannte in großen Sätzen auf ihn zu, um mich in seine Arme zu werfen, um wieder nach oben zu schweben, fort aus der Dunkelheit des Waldes, weg von dem Stern aus Blut, der mir nachjagte. Tränen liefen mir übers Gesicht. Er war so nah.
    »Garreth!« Meine Stimme versagte, aber ich musste seinen Namen rufen. Ich musste zu ihm. Ich musste weiterlaufen.
    Doch dann blieb ich wie angewurzelt stehen. Die Flügel vor mir waren nicht mehr samtig und weiß, sondern rau und ledrig. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Als ich nach oben sah und verstand, warum mein wunderbarer Schutzengel mir nicht geantwortet hatte, stockte mir der Atem.
    Die Spannweite der Flügel über meinem Kopf war riesig, jenseits des Vorstellbaren. Sie schlugen bedrohlich. Ich wurde zu Boden geworfen und von Erschöpfung überwältigt. Als ich wieder zu mir kam, stand ich mit seitlich ausgestreckten Armen auf dem Dach eines Gebäudes. Hinter mir hörte ich eine Stimme. Ryan. Als ich an meinen Füßen schwarze Stiefel bemerkte, fing ich wie wild an zu zittern. Claires Stiefel . Ich guckte auf meine Hände und sah die kleine Narbe am linken Daumen. ClairesNarbe . Die acht Jahre alte Narbe, die von dem Tag stammte, als wir uns in der dritten Klasse auf dem Spielplatz kennengelernt hatten, von der Schnittwunde, die uns zusammengebracht und für immer als Freundinnen verbunden hatte.
    Mir stockte das Blut in den Adern, als mich ein Windstoß erfasste und mich fast von den Füßen riss. Flügel umschlangen mich, ließen mich aber sofort wieder los. Dann spürte ich einen Luftzug auf meiner Haut und schrie einen stummen Schrei. Blut rann meine Kehle hinab.
    Ich wollte nicht aufwachen, aber grelles Licht drang durch die dünne Haut meiner Augenlider und brachte mich schließlich dazu, die Augen aufzumachen. Ich murmelte in die tröstende Geborgenheit meines Kopfkissens.
    »Garreth.« Meine Hand griff nach seiner. Ich war überzeugt, dass er neben mir lag. Aber meine Finger bekamen nur das Kissen zu fassen.
    Ich setzte mich auf, strich mir die Haare aus dem Gesicht und sah, dass noch Nacht war. Das Licht fiel vom Flur herein und auf die Fensterscheibe, die mein Zimmer widerspiegelte, anstatt mir den neuen Tag da draußen zu zeigen. Auf dem Flur waren Geräusche zu hören, dann die leisen Schritte meiner Mutter, die vor meiner Tür innehielten.

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