Engelsstern
Ihre Gestalt erschien im Türrahmen.
»Teagan? Schatz, schläfst du?« Besorgnis lag in ihrer zögerlichen Stimme.
»Nein, ich bin wach.« Ich schüttelte den Kopf, um ihn klar zu kriegen, und warf einen prüfenden Blick durch mein Zimmer. Abgesehen von meiner Mutter war ichallein. »Du warst auf dem Sofa eingeschlafen, als ich kam. Ich wollte dich nicht wecken.«
Meine Mutter stand in der Tür und sah mich an.
»W as ist passiert?«
»Ein Anruf. Wegen Claire.«
Typisch Claire, meine SMS zu ignorieren. Aber wenn sie ein Ohr zum Abkauen brauchte, wusste sie, wo sie das bekam. Innerlich bereitete ich mich darauf vor, was ich zu hören kriegen würde. Die Gründe. Die Entschuldigungen. Warum sie sich an Brynn und die Tussitruppe rangeschleimt hatte, warum sie mich mitgeschleift hatte. Verdammt, wahrscheinlich war sie sauer auf mich , weil ich abgehauen war.
»Tut mir leid, Mom. Ich hab ihr eine SMS geschickt, als ich nach Hause kam. Sie ist wahrscheinlich … einfach Claire.« Mein Ärger machte sich Luft.
Ich schob die Decke zur Seite und hüpfte aus dem Bett, um das Telefon zu holen, damit meine Mutter weiterschlafen konnte. Aber die rührte sich nicht. Ich versuchte, ihren Blick zu enträtseln.
»Nicht Claire hat angerufen. Sondern ihre Mutter.«
Ich bekam Angst. Meine Mutter würde also doch noch rausfinden, dass ich die Stadt verlassen hatte und zu einem Rave gegangen war. Besser gleich als später.
Na ja, ich war fast zu einem Rave gegangen.
Aber wie sollte ich das mit den gefälschten Ausweisen und Claires fiesem Freund erklären? Das würde todsicher nicht auf großes Verständnis stoßen. Und sie würde auch rausfinden, dass ich nicht mit Claire zurückgefahren war.
Ich seufzte tief. »Claire und ich sind nicht Kaffee trinken gegangen. Wir wollten, aber dann kam sie mit der verrückten Idee, mit ein paar neuen Freunden von ihr tanzen zu gehen.«
Puh. Mein Magen rumorte.
»Ich fand das nicht okay und wollte sie überreden, wieder nach Hause zu fahren. Großes Ehrenwort. Aber sie war komisch drauf und ließ mich einfach abblitzen. Also hab ich mir eine andere Mitfahrgelegenheit gesucht. Tut mir leid.«
Die Wahrheit sprudelte nur so aus mir heraus, wie immer, wenn ich nervös war. Jetzt schwieg ich.
»Tut mir leid. Das heißt wohl, dass ich Samstagabends jetzt erst mal Hausarrest habe, oder?«
Ich schielte zur Uhr rüber. 4 : 23 Uhr. Mom betrachtete mich eindringlich. Falls sie nach Schuldbewusstsein suchte, wurde sich mit Sicherheit fündig.
»Teagan, es hat einen schrecklichen Unfall gegeben.« Ihr Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck, wie ihn Leute haben, wenn sie Tränen zurückhalten wollen. Sie legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter.
Ich starrte meine Mutter an, als hätte sie zwei Köpfe.
»Claire ist tot.«
Sofort war der Traum wieder da. Mein Magen drehte sich um, mir wurde schlecht. Im Zimmer wurde es unerträglich heiß und stickig, mein Puls raste durch den ganzen Körper, die Stimme meiner Mutter hörte sich an, als käme sie aus einer Blechbüchse.
»Ach, Süße.« Sie nahm mich in den Arm, um michvor der Nachricht, die sie überbracht hatte, zu schützen. »Gott sei dank ist dir nichts passiert, aber es tut mir unendlich leid wegen Claire.«
Sie griff nach den Taschentüchern auf meinem Nachttisch, aber unerklärlicherweise weinte ich nicht. Ich war wie betäubt.
Ich sah sie an. Der Mascara unter ihren Augen war verschmiert. Sie sah wesentlich aufgelöster aus als ich. Ich konnte es nicht glauben. Claire?
Dann brach etwas in mir auf.
»Ich hätte bei ihr bleiben müssen.« Ich zitterte am ganzen Körper. »Ich hätte sie nicht allein lassen dürfen!«
Ich guckte meine Mutter an, sah aber nicht ihr Gesicht, sondern Claires leere Augen.
Meine Mutter setzte sich vorsichtig neben mir aufs Bett, als ob mich das noch mehr aufregen könnte. »W ie bist du denn nach Hause gekommen?«
»Claire wollte unbedingt bleiben, deswegen bin ich mit jemandem aus der Schule zurückgefahren.«
Das Zittern in meiner Stimme schien ihr nicht aufzufallen, jedenfalls hakte sie nicht nach. Für den Moment war alles, was Garreth betraf, auf der sicheren Seite.
Nur Claire war nicht sicher gewesen.
Eine Träne lief mir über die Wange, als Bruchstücke meines Traumes wieder auftauchten. Die Betäubung ließ nach. Meine Mutter wollte mich trösten, aber ich bestand darauf, allein zu sein.
Alles wurde mir jetzt klar.
Hadrian. Mein Vater. Claire.
Die Verbindungen schlossen sich, das
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