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Engelsstern

Engelsstern

Titel: Engelsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Murgia
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wollte. Ich verstehe nicht, wie ein paar von den Jugendlichen völlig unbemerkt aufs Dach klettern konnten.«
    »Dach?«
    Mom setzte sich mir gegenüber hin und schob mir den unberührten Teller hin, um mich zum Essen zu bewegen.
    »Das Gebäude ist halb verfallen und hätte vor Jahren abgesperrt werden sollen, aber das hat die Jugendlichen noch nie ferngehalten.« Sie griff nach meiner Hand. »Claire ist abgerutscht und vom Dach gefallen. So hat es jedenfalls Mrs Meyers letzte Nacht erzählt. Ich wollte dir die Einzelheiten ersparen, und du hast nicht gefragt, da habe ich den Mund gehalten.«
    Sie machte sich über ihre Speckportion her, ich stocherte in meiner rum. Einerseits war ich froh, dass sie nichts beschönigte. Ich wollte Bescheid wissen. Ich wollte wissen, womit ich zu rechnen hatte, sollte Hadrian tatsächlich seine Finger im Spiel gehabt haben. Ich biss einkleines Stück Speck ab und zerkrümelte den Rest mit den Fingern. Die Stücke rieselten auf den fettigen Teller hinab wie ockerfarbenes Konfetti.
    Mom begann leise den Tisch abzuräumen, dabei beugte sie sich zu mir hinunter und gab mir einen zärtlichen Kuss. Wahrscheinlich war das alles für sie genauso schwer. Noch jemand für immer verschwunden, der uns nahestand. Weg. Einfach so. Ich sah meine Mutter an und hätte wohl irgendwas sagen sollen, aber ich fand keine Worte. Sie wandte sich der Spüle zu und hielt sich an der alltäglichen Routine fest. Die letzte Nacht lief wieder und wieder vor meinem inneren Auge ab. Was hätte ich anders machen können?
    Ich seufzte tief und ließ den Kopf in die Hände sinken, dabei fiel mir auf der Zeitung das Datum auf. Es war Sonntag. Noch vier Tage mit Garreth. In mir brodelte es. Und zwar so sehr, dass ich langsam die Kontrolle verlor. Es tat mir weh, dass ich nicht mal richtig um Claire trauern konnte. Eigentlich hätte ich aus Trauer um meine beste Freundin hysterisch weinen müssen. Acht Jahre Freundschaft. Weg. Und Hass füllte die Lücke.
    Mein Kopf schoss ruckartig nach oben. Wieder die Zahl acht. Claire und ich hatten uns in der dritten Klasse kennengelernt. Damals war sie acht, ich knapp neun. Acht Jahre später ist sie tot, und ich liebe einen Engel und versuche, die Menschheit zu retten. Acht. Ein Oktagramm hat acht Spitzen. Garreths Stern. Er darf acht Tage zusammen mit mir verbringen. Als Mensch. Claires Lebenwar vorbei. Wenn ein Leben zu Ende geht, stirbt eine Inkarnation. Die Spitze des Richterspruchs. Acht Leben. In meinem Kopf drehte sich alles und ließ sich nicht aufhalten. Es hatte alles so sein sollen. Letzte Nacht. Es hatte genau so …
    Die Küche bewegte sich. Dann kippte sie. Meine Mutter drehte sich um die eigene Achse und rief meinen Namen. Die Bratpfanne flog plötzlich durch die Luft und verteilte überall Fett- und Seifenspritzer. Als mein Kopf auf den Boden knallte, wurde alles schwarz.
     
    Meine Mutter klopfte sacht an die Tür. »Teagan? Bist du fertig?«
    Ich strich meinen Rock glatt und starrte das Gesicht des Mädchens vor mir im Spiegel an. Etwas war anders an ihr, vielleicht die Augen. Ich beugte mich vor, um tiefer in die im Spiegel gefangenen grünen Augen zu schauen. Nein, sie war da.
    Besser auf Nummer sicher gehen.
    »Ja, Mom. Ich bin so weit.«
    Ich öffnete die Tür und sah das warme Lächeln meiner Mutter. Unwillkürlich lächelte ich zurück.
    »Du siehst hübsch aus. Was macht dein Kopf? Das hat ganz schön gerummst, als du gefallen bist. Dein Kopf hat nur knapp die Tischkante verfehlt.«
    Ich betastete meinen Hinterkopf und zuckte zusammen. »Noch wund, aber alles in Ordnung.«
    »Ich hab mir schon Sorgen gemacht, weil du so lange geschlafen hast, aber vermutlich ist das normal. Du hasteine schlimme Nacht hinter dir. Nimm lieber noch ein Aspirin. In ein paar Minuten fahren wir zur Kirche. Dir geht’s auch wirklich gut?«
    Ich nickte, sie lächelte mir wieder zu, diesmal etwas angespannter. Dann drehte sie sich um und ging auf leise klickenden Absätzen die Treppe hinunter. Das Haus roch immer noch nach gebratenem Speck. Der Geruch brachte mir den Morgen wieder in Erinnerung. Auf einmal wollte ich nur noch raus an die frische Luft, weg von dem Geruch, der mir den Magen umzudrehen drohte.
    Als wir auf dem Weg zur Kirche im Auto saßen, klarte mein Kopf allmählich auf. Das Hämmern ließ nach, denken wurde wieder möglich. Dankenswerterweise sah meine Mutter davon ab, die kurze Autofahrt mit unsinnigem Smalltalk zu überbrücken. Ich dachte an Claire, aber auf

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