Engelsstern
der Küchentür. Es war ja eins, draußen sein Auto zu sehen, aber meinen persönlichen Schutzengel dann höchstselbst in der Küche sitzend und mit meiner Mutter schwatzend zu erblicken, während sie sich Kaffee nachschenkte, war etwas ganz anderes.
»Hallo, Schatz. Du musst mir deinen Freund nicht mehr vorstellen, wie du siehst. Garreth hat sich gedacht, du würdest lieber mit ihm zur Schule fahren, wo du den Bus doch so sehr hasst.«
Meine Augen sahen die einzige Lichtquelle von Bedeutung im Zimmer an, die es sich auf dem Stuhl bequem gemacht hatte, auf dem ich sonst saß. Er lächelte dieses Lächeln, das nur für mich bestimmt war.
Ruhe breitete sich aus. Ich wusste, dass er dafür verantwortlich war, indem er sein Herz mit meinem in Einklang brachte und mich so beruhigte. Schon deswegen fühlte ich mich ihm näher als jedem anderen. Wessen Herz schlägt sonst im gleichen Rhythmus wie meins? Wer atmet gemeinsam mit mir? Oder besser, für mich?
»Das wäre echt nett, danke. Ist das in Ordnung, Mom? Dass Garreth mich mit zur Schule nimmt?« Das klang flehend. Hoffentlich merkte sie nichts.
»Natürlich. Ich bin froh, dass du gekommen bist, Garreth. Ich hatte Teagan schon gesagt, dass ich mich bei dir dafür bedanken möchte, dass du sie vorgestern Nacht mitgenommen hast. Ich bin froh, dass du für sie da warst. Sie ist etwas Besonderes für mich. Sie ist alles, was ich habe.«
»Gern geschehen. Sie haben recht, sie ist was Besonderes.«
Bei diesen Worten hatte ich gerade einen Schluck Orangensaft genommen, den ich schnell runterschlucken musste, um nicht loszuprusten.
»W ir müssen los. Schön, dass ihr zwei euch kennengelernt habt.« Ich griff meinen Rucksack, einen Toast und Garreths Arm und schleifte ihn aus der Tür.
»Hat mich gefreut, Garreth«, rief Mom uns nach, während ich vor ihm her zum Jeep hastete.
Wir fuhren schweigend, bis ich nicht länger an mich halten konnte.
»Du hättest mich echt warnen können!«
»Tschuldige, es sollte eine Überraschung werden. Aber wenn’s dir lieber ist, kann ich deinen Bus noch einholen. Der 4 E , stimmt’s?«
Darüber musste ich lachen und vergaß, woran ich gerade gedacht hatte. Die Sonne schien durch die Windschutzscheibe herein und brachte seine blonden Strähnen zur Geltung. Er sah geradeaus auf die Straße. Ich ließ meinen Blick von seinem perfekten Profil über die glatte Haut in seinem Nacken wandern, wo der Weihrauchgeruch am stärksten war, den Arm hinab zum lose aufgerollten Hemdsärmel am Handgelenk und zu seiner kräftigen und feingliedrigen Hand.
»W as machst du da?«, fragte er lachend.
»Ich will dich im Gedächtnis behalten.« Meine Stimme brach.
Er war hier. Bei mir. Jetzt. Trotzdem wurde ich das schreckliche Gefühl nicht los, das mich am Ende eines jeden Tages überkam. Mit jedem Tag kam der gefürchtete Abschied näher.
»Das brauchst du nicht.«
»Doch. Bald gehst du weg.«
»Ich gehe nicht von dir weg. Du kannst mich dann bloß nicht mehr so sehen wie jetzt.« Ein Anflug von Reue lag auf seinem Gesicht. »V ielleicht war es keine so gute Idee, hierherzukommen.«
Darauf sprang ich sofort an. »W ie meinst du das?«
»Es war egoistisch von mir, bei dir aufzutauchen. Ich habe eine Kardinalsregel gebrochen.«
»Als da wäre?« Verzweiflung machte sich in mir breit.
»Meine Bedürfnisse an erste Stelle zu setzen, vor deinen Schutz. Ich habe dich in Gefahr gebracht, Teagan. Ich wollte so gerne bei dir sein, dass ich alles, was geheim und heilig ist, beiseitegeschoben habe. Dass du jetzt von Hadrian weißt, bringt dich in noch größere Gefahr als vorher.«
»Aber hätte er mich nicht sowieso gefunden? Wegen der Blutsverwandtschaft?«
Er starrte weiter geradeaus, obwohl wir schon auf dem Parkplatz der Schule standen, den Garreth seit seinem Auftauchen in Beschlag genommen hatte.
»Ja, er hätte dich sowieso gefunden. Aber ich fühle mich eben verantwortlich, als hätte ich ihn zu dir geführt … früher als sonst. Und während deine Kraft wächst, wird Hadrian immer aggressiver.«
Ich konnte nur hoffen, dass Hadrian uns nie angreifen würde. Ich konnte und wollte mir Garreth nicht als Teil einer Armee entmachteter Schutzengel vorstellen, die hilflos zusahen, wie ihre Schützlinge manipuliert wurden. Ich pulte an den Resten meiner Fingernägel herum, als er meine Hand nahm.
»Es wäre sicherer gewesen, dich in meiner normalen Form zu führen. Ich kann nicht aufhören, dich zu beschützen, Teagan. So bin ich. Aber meine
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