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Engelsstern

Engelsstern

Titel: Engelsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Murgia
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rot und eklig geschwollen. Es machte mir Angst, dass Garreth davon wusste.
    »V ertrau mir. Ich erklär’s dir später.«
    In dem Augenblick kehrte das Gefühl in meine Hand zurück, die Innenfläche kribbelte wie unter Strom. Ich öffnete und schloss meine Hand, um das Blut zum Zirkulieren zu bringen. Ich ballte die Faust und dachte, dass es zu einer Spontanheilung kommen würde, wenn ich Ryan Jameson damit eins in die Fresse geben könnte.

KAPITEL 19

    Keine Himmelsmacht trieb die Zeiger der Uhr schneller voran, daher steckte ich im Geschichtsunterricht fest und ging ein vor Langeweile. Ms Carlson hatte ›Kriege und ihre Ursachen‹ zum Thema gemacht, was eine Diskussion auslöste, ob und wann es einen Dritten Weltkrieg geben würde, was wiederum zu den Prophezeiungen des Nostradamus führte. Hatte er tatsächlich das Schicksal der Menschheit vorhergesehen? Hatte er damals im siebzehnten Jahrhundert geahnt, dass sich am Horizont etwas Dunkles zusammenbraute, das niemand je für möglich halten würde? Ich starrte die Uhr an und gab die Hoffnung auf.
    In dem Moment spürte ich einen Luftzug.
    Ich drehte den Kopf nach links, mein Atem dampfte, als wäre es auf einmal zwanzig Grad kälter geworden. Der Junge am Nebentisch, Seth Robards, sah mich ausdruckslos an, seine braunen Augen glasig und leer. Sein Mund stand leicht offen, aber es kam kein Atem heraus. Jeder Atemzug, den ich machte, zeigte noch deutlicher, dass er nicht atmete. Ich wandte den Blick ab.
    Im Klassenraum herrschte plötzlich Totenstille. Keine Geräusche mehr von raschelndem Papier und umgeblätterten Buchseiten. Obwohl sich alle noch bewegten und sichtbare Atemwolken ausstießen, bemerkte niemand sonst die Kälte. Ms Carlson redete nach wie vor, aber ich konnte ihre Worte nicht mehr hören. Nur die Atemwolken vor ihrem Mund nahm ich noch wahr. Im Raum schien auf einmal ein Vakuum zu herrschen. Mein siebter Sinn sprang an und stellte sich auf das einzig noch hörbare Geräusch ein. Es hallte aus allen Ecken, in Sekundenschnelle wurde die Atmosphäre im Raum erdrückend.
    Ich allein schien den Horror, der sich anbahnte, zu ahnen, die anderen nicht. Als das Geräusch immer lauter anschwoll, wich mir das Blut aus dem Kopf. Ich sah in die Gesichter der anderen. Nichts. Niemand außer mir schien was zu hören.
    Das Geraschel von Federn schwoll zu einem ohrenbetäubenden Donnern an, aber nur in meinen Ohren. Im Raum wurde es dunkel, als ob eine große Wolke langsam über uns hinwegziehen würde, aber das bekam auch niemand mit. Meine Gefühle waren nicht zu beschreiben. Auf jeden Fall hatte ich Angst, aber komischerweise war ich auch ein bisschen erleichtert. Erleichtert, dass jetzt kam, was kommen musste.
    Na los, Hadrian. Bringen wir’s hinter uns!
    Ich spürte, wie die Spannung im Raum stieg, und biss die Zähne zusammen, bis mir der Kiefer wehtat. Die Wolke senkte sich herab, ging direkt vor meinem Tisch in Stellung und wuchs bedrohlich bis zur Decke an.
    Dann nahm sie Form an. Ich konnte den Umriss erkennen, raue lederartige Spitzen, eingerissen und zerfleddert, schwärzer als jedes Schwarz, das mir je im Kunstunterricht untergekommen war. Mein Mund war staubtrocken, ich konnte nicht mehr schlucken. Mein Kopf schwenkte nach oben, um die riesige Gestalt vor mir erfassen zu können. Der Schatten machte eine elegante schweifende Bewegung und landete auf meinem Tisch. Der markerschütternde Schrei aus meiner Kehle war nicht aufzuhalten.
    »Teagan?« Ms. Carlson durchbrach die Stille.
    Ihre Stimme klang verändert, weicher, fast ein wenig ängstlich, und ich ahnte, dass sie nicht mehr über Kriege dozierte. Wahrscheinlich war Nostradamus schon seit einiger Zeit in Vergessenheit geraten.
    Ich setzte mich erschreckt auf und blickte in lauter verwirrte Gesichter.
    Toll. Ich bin ein Freak.
    Der Raum kam mir auf einmal völlig überhitzt vor. Ich sah auf meinen Tisch und wischte schnell eine glitzernde Spuckespur mit dem Ärmel weg.
    »Darf ich zur Krankenschwester gehen?«
    »Natürlich. Ich gebe dir einen Laufzettel.« Sie bemühte sich um Ruhe und Kontrolle, aber in ihrer Stimme lag Nervosität.
    Meiner Vermutung nach war ich im Unterricht eingeschlafen, aber der Ausdruck auf den Gesichtern meiner Mitschüler zeigte, dass noch mehr passiert sein musste. Ich musterte Seth von der Seite, er sah benommen aus.
    Ich sammelte meine Sachen zusammen und ignoriertedas lauter werdende Gekicher um mich herum, das Ms Carlson mit einem lauten Räuspern beendete.

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