Engelsstern
as ist mit meinem Vater passiert? Sag’s mir!« Die Worte blieben mir im Hals stecken. Ich bemühte mich, nicht durchzudrehen. Ich hatte noch was zu erledigen. Etwas fast Unmögliches.
Er funkelte mich an und sagte nichts. Fast hätte man den Ausdruck, der wie ein Meteor über sein Gesicht huschte, für tiefes Mitgefühl halten können, aber er hatte sich sofort wieder im Griff.
»Bist du so leicht zu durchschauen wie die anderen?«
»W en meinst du damit?«
»Ich frage dich, Teagan: Welche Wahl triffst du ? Ich kann dir geben, was dein Vater nicht wollte. Ich kann dir Macht geben.«
Er trat näher an mich heran und streckte zögernd seine Hand nach mir aus. Ich fühlte mich so schwach. Er war faszinierend und mächtig … Ich wusste, es wäre ein Fehler, seine Hand zu nehmen, aber irgendwas in seinen Augen trieb mich dazu.
»Ich kenne dich besser als du dich selbst, Teagan. Ich kenne dich dein ganzes Leben, durch deine ganze Existenz hindurch. Du hast große Fähigkeiten. Der Himmel würde wie ein Traum verblassen im Vergleich zu der Welt, die du und ich erschaffen könnten.«
Hadrians kalte Hand strich mir über die Wange, was eine tief in mir verborgene Erinnerung auslöste. Eine andere Hand hatte mir über die Wange gestrichen, aber das war schon lange her.
»Ich kann dir helfen, weißt du.«
»Mir – helfen?«
»Du weißt nicht, wie mächtig du bist?« Er nahm meine Hand, öffnete sie und strich mit dem Finger verführerisch über die Linien, die ich versucht hatte zu verstecken. »Zusammen können wir eine Macht entfesseln, die alles andere übersteigt. Du musst wissen, dass du außergewöhnlich bist.«
Mir wurde übel, aber Hadrian fuhr fort, erfreut über meine Reaktion.
»Ich suche eine neue Herausforderung. Ich habe deine Art so satt, euren Egoismus und eure Ansprüche. Es ist mir ein Rätsel, warum die Schutzengel so viel Mitgefühl mit euch haben.« Seine Stimme triefte vor Abscheu, und er stieß mit der Spitze seines schweren Stiefels gegen Garreths Bein. »Aber ich gebe zu, dass du mir Freude machst. Ich hätte nie gedacht, dass ich miterleben würde, wie sich ein Mensch während einer Lebensphase seine Existenz verändert.«
Ich sah die große Blutlache um Garreths leblosen Körper herum. Viel zu viel Blut.
»Du kannst jeden anderen haben, weißt du. Mit deiner Macht kannst du dir jeden aussuchen, aber vielleicht gefalle ich dir ja.« Er liebkoste meine heiße Wange mit seinen kalten Fingern. Dann wandte er mir den Rücken zu.
»Du bist kein Engel, du bist ein Monster!«
Er wirbelte herum und sah mich an, sein Gesicht war vorwurfsvoll, als ob ihn meine Worte wirklich getroffen hätten.
»Ich sehe mich als Engel der Barmherzigkeit. Suchen die Menschen nicht immer nach dem Sinn ihres jämmerlichen kleinen Lebens? Und findest du nicht auch, dass ich ihnen diesen Sinn gebe? Ihnen einen neuen Weg zeige?«
Der spielerische Ton in seiner Stimme war verschwunden. Es war klar, dass er keine Lust mehr hatte, mich mit netten Worten zur Beihilfe an seinem Zerstörungsplan zu überreden. Stattdessen würde er mich notfalls mit Gewalt dazu bringen. Er breitete seine schwarzen Flügel aus, und ich fiel auf die Knie, um dort meinen Platz einzunehmen, wo ich hingehörte, an Garreths Seite.
Hadrians Wut, als er Garreth gegen meine Zimmerwand schleuderte, stand mir klar vor Augen. Wieder und wieder lief die Szene vor mir ab, in 3 D , wie eine Schlange, die immer wieder zuschnappt. Ich presste mir die verschwitzten Hände auf die Schläfen, aber das linderte den Schmerz auch nicht. Es war schwer gewesen, Garreth nicht mehr anzusehen; aber es war fast unmöglich, dem für alles Verantwortlichen nicht in die Augen zu sehen. Hadrians Zungenfertigkeit hatte mich geblendet, sodass ich das schwarze Herz nicht mehr sehen konnte, das er verbarg.
Hadrian hockte sich vor mich. »Du bist fasziniert von mir, stimmt’s?«
Ich verweigerte die Antwort und drehte den Kopf weg. Er aber streckte die Hand aus und ließ sanft seine Finger durch meine verstrubbelten Haare gleiten.
»Ja, ich bin kompliziert. Du versuchst, mich zu verstehen, aber dir fehlen im Augenblick noch die Fähigkeiten dazu. Das ist frustrierend, nicht?«
Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen und entzog mich seiner Berührung.
Hadrian stand wieder auf. »Unterschätz dich nicht,Teagan. Denk dran, ich mag Herausforderungen. Willst du dir mein Angebot nicht noch mal überlegen? Du kannst all das hier hinter dir lassen und herausfinden, wo du
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