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Engelsstern

Engelsstern

Titel: Engelsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Murgia
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flatterndes Geräusch. Mir stellten sich die Nackenhaare auf.
    Hadrian . Der Name hallte in meinem ganzen Körper wider.
    Hinter mir balancierte eine Krähe auf einem Ast und ließ mich nicht aus den Augen. Ich steckte meine Hand in die Tasche und fühlte kühle Steine und Draht in meinen Fingern. Der Rosenkranz aus Garreths Auto lag tief unten in meiner Manteltasche. Der Kranz gehörte jetzt mir , er war das Abschiedsgeschenk für meine Freundin, ein ewiges Symbol, dass sie für immer in meine Gebete einschloss. Ich wollte gerade den Rosenkranz auf den Sarg werfen, da wurde ich durch meinen eigenen erstaunten Aufschrei erschreckt.
    »Ich wusste, dass du kommen würdest.« Claire lächelte mir zu.
    Ihr Atem stank nach altem, verfaultem Holz. Ich riss mich zusammen. Es war nicht leicht, meiner Freundin nicht in das graublaue Gesicht zu schreien, unmittelbar vor meinem.
    Sie schwebte, ein schauerlicher Geist, der sein eigenes Grab bewachte. Ich sah in das Grabloch zu meinen Füßen, das endlos tief zu sein schien, viel, viel tiefer als den Meter fünfzig, den ein Grab normalerweise hat. Langsam bewegte ich mich von der Kante weg und wischte mir heiße Tränen aus den Augen. So wollte ich mich nicht an sie erinnern.
    Ihre Stimme änderte plötzlich den Klang. »W arum, Teagan? Warum hast du mich mit ihm zurückgelassen?« Sie zischte mich aus ihrem vermoderten Mund an.
    Ich starrte sie an. Wieso sah sie so kurz nach ihrem Tod schon so verfault aus? Im wirklichen Leben war sie noch nicht mal beerdigt.
    »Du bist mit Ryan und Brynn und den anderen abgezogen.« Ein Erklärungsversuch, aber ich wusste, wen sie meinte.
    Gestank waberte aus dem Loch empor, begleitet von eiskalter Luft. Die Claire, die vor mir schwebte, krümmte sich vor Schmerzen. Ihr Gesicht war zu einer grässlichen Fratze aus Brynn und all den anderen atemlosen Gesichtern, die mir begegnet waren, zusammengeflossen. Seine Opfer. Seine Armee.
    »Claire! Bitte!«, schluchzte ich, aber es war zu spät.
    Ich verlor das Gleichgewicht und fiel in die modrige Dunkelheit. Da griff eine Hand nach mir, die ich kannte, die Hand meines Vaters von dem Bild auf meiner Kommode, und zog mich aus dem leeren Grab. Als er nach mir griff, bemerkte ich auf der Innenfläche seiner Hand eine Narbe, ein Wirbelmuster, kaum erkennbar, weil es mit den normalen Handlinien verwoben war. Auf dem Foto war es kaum zu sehen, zu klein, um aufzufallen … bis jetzt.
    Hellwach schoss ich hoch, und mir war alles klar. Das Oktagramm in meinem Computer stand deutlich vor meinen Augen.
    Aufgewühlt ging ich auf Zehenspitzen aus meinem Zimmer leise den Gang entlang bis zur Wäschekammer am anderen Ende. Es war schrecklich, Claire so zu sehen … aber das war nicht Claire, nicht meine Claire. Das war nur ein Traum. Sie hatte sich verändert, ebenso wie ich. Ich war nicht länger das stille, unscheinbare Mädchen von früher. Im Verlauf weniger Tage war ich eine andere geworden. Ich schlüpfte in die Kammer, wie damals als Kind, und zog an der dünnen Kette über meinem Kopf.
    Ich wusste noch, dass ich mich hier früher versteckt hatte, aber nicht mehr, warum. Versteckt vor jemandem, vor etwas. Ich erinnerte mich an meine Träume als Kind, wie meine Mutter in mein Zimmer gekommen und bei mir geblieben war, bis ich wieder schlief. Und ich erinnerte mich jetzt auch deutlich an Garreth, meinen Engel, der mich beschützte, wenn meine Mutter wieder in ihr Zimmer gegangen war. Er blieb die ganze Nacht bei mir, beschützte mich vor meinen Träumen, vor den Monstern in meinem Zimmer.
    Auch damals war es Hadrian gewesen, vor dem ich mich in der Kammer versteckt hatte.
    Ich langte nach oben, nahm den verstaubten Karton mit Familienfotos vom Regal und zog wieder an der Kette. Dunkelheit umgab mich. Ich machte die Tür auf, tapste leise zurück in mein Zimmer, setzte den Karton auf dem Bett ab und öffnete ihn. Vorsichtig kramte ich von unten die Umschläge mit meinen Babyfotos hervor.
    Nur zwei Fotos existierten von mir mit dem Mann, von dem meine Mutter sagte, dass er mein Vater sei. Eins stand in einem Silberrahmen auf meiner Kommode. Das andere sah ich mir jetzt aufs Neue an, untersuchte jede Einzelheit auf dem verblichenen Papier, das in der Mitte gefaltet worden war, als hätte man es vor langer Zeit davor bewahren wollen, zerrissen zu werden. Darauf abgebildet waren wir beide, in ganz ähnlichen Posen wie auf dem gerahmten Foto, aber trotzdem war dieses Bild anders. Er war anders.
    Er sah aus wie

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