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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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gefunden hatte. Guðlaugur, meine ich. Mit dem Kondom, und mit den Messerstichen.«
    »Hast du da unten bei ihm Geld gesehen?«
    »Geld?«
    »Ihm war kurz zuvor eine ganz anständige Summe überreicht worden, aber ich weiß nicht, ob das Geld noch bei ihm war, als er angegriffen wurde.«
    »Ich habe keine einzige Krone gesehen.«
    »Nein«, sagte Erlendur. »Du hast nicht zufällig das Geld genommen, als du ihn gefunden hast?«
    Ösp unterbrach ihre Arbeit und stemmte die Hände in die Hüften.
    »Willst du damit sagen, dass ich das Geld geklaut haben soll?«
    »So was soll schon mal vorgekommen sein.«
    »Glaubst du echt, dass …«
    »Hast du es genommen?«
    »Nein.«
    »Du hättest die Möglichkeit gehabt.«
    »Oder der, der ihn umgebracht hat.«
    »Das ist richtig«, sagte Erlendur.
    »Ich habe nicht eine müde Krone gesehen.«
    »Na schön, ist schon in Ordnung.«
    Ösp fuhr fort zu putzen. Spritzte Klosettreiniger in die Schüssel und hantierte mit der Klobürste herum, als wäre Erlendur überhaupt nicht anwesend. Er beobachtete sie noch eine Weile bei der Arbeit und bedankte sich dann bei ihr.
    »Was hast du damit gemeint, als du gesagt hast, du hättest ihn gestört?«, fragte er und hielt in der Tür inne. »Henry Wapshott. Du bist ja wohl kaum bis ins Zimmer gekommen, wenn du dich so angemeldet hast wie eben.«
    »Er hat mich nicht gehört.«
    »Was hat er gemacht?«
    »Ich weiß nicht, ob ich das …«
    »Es bleibt unter uns.«
    »Er hat ferngesehen«, sagte Ösp.
    »Das wäre ihm wohl peinlich gewesen, wenn sich das herumgesprochen hätte«, flüsterte Erlendur im Verschwörerton.
    »Also ich meine, das war ein Video. Ein Pornofilm, echt widerlich.«
    »Zeigt ihr hier im Hotel Pornofilme?«
    »Nicht solche Filme, die sind überall verboten.«
    »Solche Filme?«
    »Das war ein Porno mit Kindern. Ich habe es dem Hotelmanager erzählt.«
    »Ein Kinderporno? Was?«
    »Wie? Soll ich dir das etwa beschreiben?«
    »An welchem Tag war das?«
    »Total pervers!«
    »Wann war das?«
    »An dem Tag, als ich Gulli gefunden habe.«
    »Was hat der Hotelmanager unternommen?«
    »Gar nichts«, sagte Ösp. »Er hat gesagt, ich solle ja die Schnauze halten.«
    »Weißt du, wer Guðlaugur war?«
    »Was meinst du eigentlich? Er war Portier. War er sonst noch was?«
    »Ja, als Kind. Er war Chorknabe und hatte eine wunderschöne Stimme. Ich habe eine Schallplatte von ihm gehört.«
    »Chorknabe?«
    »Eigentlich war er ein Kinderstar. Aber dann ging in seinem Leben so ziemlich alles schief. Er kam in die Pubertät, und da war alles mit einem Mal vorbei.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Nein, Guðlaugur war völlig in Vergessenheit geraten«, sagte Erlendur.
    Sie schwiegen eine Weile. Geraume Zeit verstrich.
    »Geht dir Weihnachten auf die Nerven?«, fragte Erlendur noch einmal. Es war, als hätte er einen Leidensgenossen gefunden.
    Sie wandte sich ihm zu.
    »Weihnachten ist nur was für glückliche Menschen.«
    Erlendur schaute Ösp an, und ein kleines schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Du würdest dich gut mit meiner Tochter verstehen«, sagte er und fischte nach seinem Handy.
     
    Sigurður Óli fiel aus allen Wolken, als Erlendur ihn darüber informierte, dass Guðlaugur wahrscheinlich in seinem Kabuff eine ordentliche Summe Geld liegen gehabt hatte. Sie überlegten, ob man Wapshotts Aussage, dass er zur Tatzeit angeblich in den Sammlerläden gewesen war, überprüfen müsste. Sigurður Óli stand gerade vor Wapshotts Zelle, als Erlendur anrief, und er schilderte anschaulich, wie dem Engländer die Speichelprobe entnommen wurde.
    Die Zelle, in der er sich befand, hatte schon eine ganze Reihe von Straftätern beherbergt, angefangen bei harmlosen Pennern bis hin zu Gewalttätern und Mördern, die die Wände bemalt oder Kommentare über ihre erbärmliche Unterkunft in den Putz geritzt hatten. In der Zelle befanden sich eine Toilettenschüssel und eine Liege, die fest angeschraubt war. Auf der Liege lagen eine dünne Matratze und ein hartes Kopfkissen. Die Zelle war fensterlos, aber oben an der Decke war eine gleißende Neonröhre angebracht, die nie ausgeschaltet wurde, sodass die Gefangenen keine Orientierung hatten, ob es Tag oder Nacht war.
    Henry Wapshott stand stocksteif vor der Wand, die sich gegenüber der schweren Stahltüre befand. Zwei Wärter hielten ihn fest. Elínborg und Sigurður Óli waren ebenfalls in der Zelle, mit der gerichtlichen Anordnung für die Speichelprobe in der Hand. Valgerður war mit

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