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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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ihren Baumwollstäbchen gekommen, um ihm die Probe zu entnehmen.
    Wapshott starrte sie an, als sei der Leibhaftige höchstpersönlich erschienen, um ihn in die finstersten Abgründe der Höllenqualen zu stürzen. Die Augen drohten ihm aus dem Kopf zu springen, und er drehte und wendete sich in alle Richtungen, um Valgerður zu entgehen. Egal, was für Tricks sie anwandten, er war nicht dazu zu bewegen, seinen Mund zu öffnen.
    Zum Schluss wurde er gepackt und zu Fall gebracht. Sie hielten ihm die Nase zu, bis er kapitulierte und den Mund zum Atmen öffnete. Valgerður sah ihre Chance gekommen und steckte ihm das Baumwollstäbchen in den Rachen, bis er anfing zu würgen, dann zog sie es blitzschnell zurück.

Neunzehn
    Als Erlendur auf seinem Weg in die Küche wieder die Lobby passierte, sah er Marian Briem an der Rezeption stehen, in abgewetztem Mantel, Hut auf dem Kopf, die Finger trommelten auf das Holz. Sie begrüßten sich kurz und gingen in den Speisesaal, wo sie Platz nahmen. Erlendur stellte fest, dass die Jahre an seinem ehemaligen Boss nicht spurlos vorübergegangen waren, aber die Augen waren immer noch genauso wach und fragend wie früher. Und wie immer wurde nicht um die Sache herumgeredet.
    »Du siehst furchtbar aus«, sagte Marian und setzte sich. »Mit was quälst du dich eigentlich herum?« Ein Zigarillo wurde zusammen mit einer Streichholzschachtel aus dem Mantel gekramt.
    »Hier ist es wohl verboten zu rauchen«, sagte Erlendur.
    »Rauchen ist nirgendwo mehr gestattet«, sagte Marian und zündete mit gequälter Miene den Zigarillo an. Die Haut war grau und schlapp und faltig. Farblose Lippen spitzten sich um den Zigarillo. Knochige Finger mit blutleeren Nägeln griffen wieder danach, nachdem die Lungen das ihre bekommen hatten.
    Obwohl sie auf eine lange und ereignisreiche Zusammenarbeit zurückblicken konnten, hatten sie sich niemals richtig angefreundet. Marian hatte viele Jahre lang die Regie geführt und versucht, Erlendur in seine Disziplin einzuweisen. Erlendur war störrisch gewesen und hatte sich mit dem Entgegennehmen von Anweisungen und Befehlen schwer getan. Er ertrug keine Vorgesetzten, auch heute noch nicht. Es war Marian Briem damals sauer aufgestoßen und entsprechend oft zu Auseinandersetzungen gekommen, aber Marian wusste, was für ein hervorragender Mitarbeiter Erlendur war, nicht zuletzt deswegen, weil er keine Familie hatte und somit privat kaum eingespannt war. Sein Leben bestand nur aus Arbeit. Marian Briem hatte immer allein gelebt und war in der gleichen Situation.
    »Gibt’s was Neues bei dir?«, fragte Marian und paffte am Zigarillo.
    »Nein«, sagte Erlendur.
    »Geht dir Weihnachten auf die Nerven?«
    »Ich habe keine Ahnung, was dieses Theater mit Weihnachten soll«, sagte Erlendur abwesend, schaute zur Küche und hielt Ausschau nach der weißen Mütze.
    »Nein«, sagte Marian. »Zu viel an Freude und Glück, könnte ich mir vorstellen. Warum schaffst du dir nicht eine Frau an? Du bist doch noch nicht so alt. Es gibt jede Menge Frauen, die sich durchaus vorstellen können, so einen Griesgram wie dich zu umsorgen, soviel steht fest.«
    »Ich hab’s probiert«, sagte Erlendur. »Hast du was herausge…?«
    »Meinst du vielleicht deine Ex-Frau?«
    Erlendur hatte nicht vor, sich über sein Privatleben auszulassen.
    »Hör auf«, sagte er.
    »Ich habe gehört, dass …«
    »Ich habe gesagt, du sollst damit aufhören«, sagte Erlendur ärgerlich.
    »In Ordnung«, erwiderte Marian Briem. »Es geht mich nichts an, was du mit deinem Leben machst. Ich weiß bloß, dass Einsamkeit zermürbend ist.« Marian verstummte für einen Moment. »Aber du hast natürlich deine Kinder …?« »Lassen wir das«, sagte Erlendur. »Du bist …« Weiter kam er nicht.
    »Was bin ich?«
    »Was willst du hier überhaupt? Konntest du nicht anrufen?«
    Marian schaute Erlendur an, und ein Lächeln schien über das Gesicht zu huschen.
    »Ich habe gehört, dass du dich hier im Hotel einquartiert hast. Dass du sogar an Weihnachten nicht nach Hause gehst. Was ist los mit dir? Warum gehst du nicht nach Hause?«
    Erlendur antwortete nicht.
    »Langweilst du dich so mit dir selbst?«
    »Können wir bitte über etwas anderes reden?«
    »Ich kenne das Gefühl, wenn man sich selber satt hat. Dieses unangenehme Ich, das man ist und das einem ständig im Kopf herumspukt und einen mit seiner altbekannten Leier piesackt. Eine Zeit lang klappt’s vielleicht, sich selbst zu belügen und glücklich zu sein, aber dann

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