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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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vielleicht über was anderes reden?«, bat Elínborg.
    »Es kann sein, dass hier im Hotel geklaut wurde und dass der Weihnachtsmann davon wusste«, sagte Erlendur.
    »Und deswegen ist er umgebracht worden?«, fragte Sigurður Óli.
    »Ich weiß es nicht. Außerdem kann es sein, dass es hier in irgendeiner Form professionell organisierte Prostitution gibt, und zwar gedeckt vom Hotelmanager. Mir ist nicht ganz klar, wie das abläuft, aber das werden wir wohl mal unter die Lupe nehmen müssen.«
    »Hat Guðlaugur irgendwas damit zu tun?«, fragte Elínborg.
    »Wenn man bedenkt, wie er gefunden wurde, ist das keineswegs unwahrscheinlich«, sagte Sigurður Óli.
    »Wie kommst du mit deinem Typen weiter?«, wandte sich Erlendur an Elínborg.
    »Vor Gericht hat er keinen Ton von sich gegeben«, sagte Elínborg und trank einen Schluck Bier.
    »Der Kleine hat immer noch nicht gegen seinen Vater ausgesagt, oder?«, fragte Sigurður Óli, der auch über den Fall informiert war.
    »Schweigsam wie ein Grab, der arme Junge«, sagte Elínborg. »Und der verdammte Kerl hält sich an seine Aussage. Streitet rundheraus ab, über ihn hergefallen zu sein. Er hat natürlich zwei ausgezeichnete Rechtsanwälte.«
    »Und muss der Kleine dann wieder zu ihm zurück?«
    »Das kann gut sein.«
    »Und was sagt der Junge?«, fragte Erlendur. »Will er wieder zu ihm zurück?«
    »Das ist das Merkwürdigste an der ganzen Sache«, sagte Elínborg. »Er hängt immer noch an ihm. Man hat den Eindruck, dass er glaubt, er habe es verdient, bestraft zu werden.«
    Sie schwiegen.
    »Willst du wirklich über Weihnachten hier im Hotel bleiben, Erlendur?«, fragte Elínborg. In ihrer Stimme schwang ein vorwurfsvoller Unterton mit.
    »Nein, ich werde wohl machen, dass ich nach Hause komme«, sagte Erlendur. »Eva will bei mir sein und geräuchertes Lammfleisch kochen.«
    »Wie geht es ihr?«, fragte Elínborg.
    »Na ja«, sagte Erlendur, »ganz gut, denke ich.« Er glaubte, dass sie es ihm ansehen konnten, dass er log. Sie kannten die Probleme nur zu gut, mit denen seine Tochter zu kämpfen hatte, kamen aber nur selten darauf zu sprechen. Sie wussten, dass er so wenig wie möglich darüber reden wollte, und sie fragten nie nach irgendwelchen Details.
    »Morgen ist der Dreiundzwanzigste«, sagte Sigurður Óli. »Alles im grünen Bereich bei dir, Elínborg?«
    »Nix ist im grünen Bereich«, seufzte Elínborg.
    »Ich denke an diese Plattensammelei«, sagte Erlendur.
    »Was ist damit?«, fragte Elínborg.
    »Ist das nicht etwas, womit man schon als junger Mensch anfängt?«, sagte Erlendur. »Obwohl ich mich da nicht auskenne. Ich habe noch nie irgendwas gesammelt. Aber kommt das Interesse für so was nicht schon bei Kindern auf, wenn man Bilder von Schauspielern sammelt oder Modellflugzeuge, und natürlich Briefmarken und Kinoprogramme und Platten? Bei den meisten ist das nur eine vorübergehende Begeisterung, aber einige machen weiter und sammeln Bücher und Platten, bis an ihr Lebensende.«
    »Willst du uns damit etwas sagen?«
    »Ich denke über solche Plattensammler wie Wapshott nach, obwohl die meisten sicherlich nicht so pervers sind wie er. Ob diese Sammelei nicht so etwas wie ein Kindheitssyndrom ist. Ob es vielleicht mit dem Bedürfnis zu tun hat, etwas zu behalten, was sonst aus ihrem Leben verschwinden würde, was sie aber auf keinen Fall missen wollen. Ist Sammeln nicht ein Versuch, etwas aus der Jugend aufzubewahren? Etwas, was mit den Erinnerungen zu tun hat, die man unbedingt lebendig halten möchte und die man mit dieser Manie sozusagen hegt und pflegt.«
    »Mit anderen Worten, Wapshotts Plattensammlung, diese Chorknaben, das hat also was mit einem Kindheitssyndrom zu tun«, sagte Elínborg.
    »Und wenn sich dieses Kindheitssyndrom ihm auf einmal leibhaftig hier im Hotel präsentiert, dreht er durch?«, fragte Sigurður Óli. »Der Chorknabe ist zu einem alten Knacker geworden. Meinst du etwas in der Art?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Erlendur betrachtete nachdenklich die Touristen an der Bar und bemerkte einen Mann mittleren Alters, mit asiatischen Zügen, der aber fließend Amerikanisch sprach. Er hatte eine funkelnagelneue Videokamera in der Hand und filmte damit seine Bekannten. Urplötzlich schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass es im Hotel Überwachungskameras geben könnte. Darum hatte er sich noch gar nicht gekümmert! Weder der Hotelmanager noch der Empfangschef hatten andererseits etwas darüber erwähnt. Er schaute Sigurður Óli

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