Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
dann wieder überspielt wurden. Die Aufnahmegeräte befanden sich im Keller des Hauses.
    Nach der dritten Zigarette ging die Frau mit ihm nach unten und zeigte ihm die Kassetten, die sorgfältig mit Datum und Kamerastandort beschriftet waren. Die Kassetten wurden in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt.
    »Hier kommt täglich ein Sicherheitsbeamter vorbei«, sagte sie, »der sich um das alles kümmert. Ich kenne mich da überhaupt nicht aus, und ich möchte dich bitten, hier nicht in etwas herumzukramen, was dich nichts angeht.«
    »Vielen Dank«, sagte Erlendur unterwürfig. »Ich möchte mit dem Tag beginnen, an dem der Mord begangen wurde.«
    »Bitte sehr«, sagte sie und ließ die aufgerauchte Zigarette zu Boden fallen, um dann die Glut mit dem Fuß auszutreten.
    Er fand die Kassette, die mit »Eingang« beschriftet war und das richtige Datum aufwies, legte sie in einen Videorekorder ein, der mit einem kleinen Fernseher verbunden war. Er hielt es für überflüssig, die Filme aus den Überwachungskameras über den Bankschaltern anzusehen.
    Die Filialleiterin sah auf ihre goldene Armbanduhr.
    »Auf jedem Band sind 24 Stunden«, stöhnte sie.
    »Wie kriegst du das hin?«, fragte Erlendur. »Bei der Arbeit?«
    »Was meinst du mit ›Wie kriegst du das hin‹?«
    »Mit dem Rauchen?«
    »Was geht dich das an?«
    »Gar nichts«, beeilte Erlendur sich zu sagen.
    »Kannst du nicht einfach die Kassetten mitnehmen?«, sagte sie. »Ich habe eigentlich keine Zeit, ich werde schon längst erwartet, und ich habe nicht vor, hier herumzuhängen, solange du dir die Kassetten anschaust.«
    »Nein, da hast du Recht«, sagte Erlendur. Er schaute auf die Kassetten im Schrank. »Ich nehme den halben Monat vor dem Mord mit. Das sind vierzehn Kassetten.«
    »Wisst ihr, wer den Mann umgebracht hat?«
    »Noch nicht«, sagte Erlendur.
    »Ich kann mich gut an ihn erinnern«, sagte sie. »An den Portier. Ich bin hier seit sieben Jahren Filialleiterin«, fügte sie wie zur Erklärung hinzu. »Ein harmloser Zeitgenosse.« »Hast du in letzter Zeit mit ihm gesprochen?«
    »Ich habe nie mit ihm gesprochen. Kein einziges Wort.«
    »War er Kunde hier in der Bank?«, fragte Erlendur.
    »Nein, er hat kein Konto hier gehabt. Nicht dass ich wüsste. Ich habe ihn nie hier in der Bank gesehen. Hat er Geld gehabt?«

    Erlendur nahm die vierzehn Kassetten mit auf sein Zimmer und ließ dort einen Videorekorder an den Fernseher anschließen. Inzwischen war es schon Abend geworden. Er legte gerade die erste Kassette ein, als sein Handy klingelte. Es war Sigurður Óli.
    »Wir müssen entweder Anklage erheben oder ihn freilassen«, erklärte er. »Gegen ihn liegt eigentlich ja nichts vor.« »Hat er sich beschwert?«
    »Er hat keinen Ton gesagt.«
    »Hat er einen Rechtsanwalt verlangt?«
    »Nein.«
    »Dann formuliere eine Anklage wegen Kinderpornographie.«
    »Kinderpornographie?«
    »Er hatte Kinderpornos bei sich auf dem Zimmer. Es ist verboten, so etwas in seinem Besitz zu haben. Wir haben eine Zeugin, die gesehen hat, wie er sich das angeschaut hat. Wir können ihn wegen dieser Pornos festhalten. Ich will nicht, dass er gleich wieder nach Thailand abhauen kann. Und wir müssen unbedingt noch sein Alibi überprüfen und schauen, ob alles stimmt, was er zu Protokoll gegeben hat über seinen Tagesablauf, als Guðlaugur ermordet wurde. Lassen wir ihn doch noch eine Weile in seiner Zelle schmoren und schauen, was passiert.«

Einundzwanzig
    Erlendur schaute sich fast die ganze Nacht die Videos an. Er fand heraus, wie man den schnellen Vorlauf betätigte, wenn keine Menschen zu sehen waren. Wie nicht anders zu erwarten, war in der Zeit von neun Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags am meisten los vor dem Eingang, bis die Geschäfte um sechs Uhr dichtmachten, ging es schon etwas ruhiger zu. Der Hoteleingang war aber die ganze Nacht geöffnet. Dort befand sich ebenfalls ein Bankautomat, der aber zu dieser späten Stunde kaum mehr benutzt wurde.
    Er sah nichts Außergewöhnliches an dem Tag, als Guðlaugur ermordet wurde. Die Leute, die zum Eingang hereinkamen, sah man einigermaßen deutlich, und Erlendur erkannte niemanden darunter. Als er die Nachtaufnahmen schnell vorspulte, schossen die Leute blitzartig herein, hielten kurz vor den Geldautomaten und sausten ebenso schnell wieder hinaus. Vereinzelt ging auch jemand ins Hotel. Er schaute sich die Leute an, konnte sie aber nicht mit Guðlaugur in Verbindung bringen.
    Er sah, dass das Hotelpersonal diesen

Weitere Kostenlose Bücher