Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass
wer sie war. Wer sie war, und was sie war.
Sie drehte sich wieder zu ihrer Konsole um, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Nun war das eingetreten, von dem sie gewusst hatte, dass es eines Tages eintreten würde. Sie hatte sich von der menschlichen Wärme und Fürsorglichkeit der Daviees einlullen lassen und geglaubt, sie könne für immer hierbleiben.
Und anstatt nur sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen, würde sie sie nun auch noch mit hineinziehen.
»Ich hoffe, dass er nicht mehr allzu lange braucht«, bemerkte Hanan. »Wir werden die Rotation des Schiffs nämlich bald auf ein Minimum reduzieren müssen.«
»Er ist schon fertig«, sagte Forsythe. »Er trocknet sich nur noch ab und zieht sich wieder an. Ich habe ihm leihweise eins von Ihren Hemden gegeben – ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
»Überhaupt nicht«, versicherte Hanan ihm. »Ich hätte schon früher darauf hinweisen sollen, dass Ihnen alles in der Gazelle zur Verfügung steht.«
»Sie haben das schon zum Ausdruck gebracht«, sagte Forsythe. »Genauso, wie ich hoffentlich klargemacht habe, dass unsere Anwesenheit hier Ihre normalen Arbeitsabläufe nicht stören soll. Schon irgendwelche Fortschritte, Mr. Kosta?«
»Ja, aber überwiegend negativ.« Kosta studierte etwas auf seinem Bildschirm. »Am Katapult sind ein paar Verzögerungen wegen Abweichungen bei der Jägerschiff-Masse aufgetreten, aber alle waren auf Fehler der Startteller zurückzuführen. Nicht etwa auf Material, das unterwegs vor den Schiffen abgefallen wäre.«
»Obwohl das nichts heißen muss«, merkte Ornina an. »Wie du schon sagtest, ist vielleicht eine ausreichend hohe Toleranz ins Katapult einprogrammiert.«
»Einverstanden.« Kosta schüttelte den Kopf. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger gefällt mir die ganze Theorie. Angelmass ist einfach nicht schwer genug, um so viel Gravitationsenergie aus abgeblätterter Farbe oder was auch immer zu ziehen.«
Hinter Chandris glitt die Tür auf – und sie drehte sich genau in dem Moment um, als Ronyon in den Raum stolperte. Mit den Fingern zeichnete er bizarre Muster in die Luft.
Kreatürliche Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Was ist denn los?«, wollte sie wissen.
»Er hat vor etwas Angst«, sagte Forsythe und machte seinerseits ein paar schnelle Fingergesten. Ronyon antwortete … »Ich werde daraus nicht schlau«, sagte Forsythe, der nun besorgt klang. »Er sagt immer nur, dass er Angst hätte.«
»Ist es die niedrige Schwerkraft?«, fragte Ornina und löste ihre Gurte. Ein zweimaliges Gammastrahlen-Knacken durchfuhr den Raum, so dass Chandris aufschreckte. »Wenn er sich noch nie zuvor im freien Fall befunden hat …«
»Er hat sich schon ein paar Hundertmal im freien Fall befunden«, sagte Forsythe knapp und legte Ronyon eine Hand auf die Schulter, mit der anderen vollführte er diese komplizierte Gebärdensprache. »Ich verstehe das überhaupt nicht.«
»Vielleicht sollten wir ihn wieder in seine Kabine bringen«, schlug Ornina vor. Sie trat neben Ronyon, fasste ihn beruhigend am Arm und sah ihm ins Gesicht.
Ronyon machte weitere Handbewegungen und ruckte heftig mit dem Kopf … »Er will nicht gehen«, sagte Forsythe. »Er sagt, dass er sich allein fürchtet.«
Chandris sah Hanan an. »Haben wir Beruhigungsmittel im Medikamentenvorrat der Krankenstation?«
»Es müssten welche da sein«, sagte er, den Blick auf Ronyon gerichtet. »Weißt du, wie der Verschluss geöffnet wird?«
Sie nickte und griff nach ihren Gurten. »Bin gleich wieder zurück.«
Sie brauchte dann doch etwas länger als erwartet, um zur Krankenstation zu gelangen, die Abdeckung vom Arzneimittelschrank abzunehmen, die richtige Ampulle zu finden, alles wieder einzuräumen und zum Kontrollraum zurückzukehren. Die anderen hatten Ronyon auf Kostas Platz angeschnallt, als sie zurückkehrte, doch sonst hatte sich nicht viel verändert. Der große Mann wirkte noch immer wie ein Häufchen Elend. »Vielen Dank, Chandris«, sagte Ornina, nahm ihr das Beruhigungsmittel ab und wollte es in Ronyons Arm injizieren.
Er zog den Arm weg und sah Forsythe flehentlich an. »Es ist alles in Ordnung. Es soll dir nur helfen, dich ein wenig zu entspannen«, sagte der Hohe Senator ihm und wiederholte es dann noch einmal in Zeichensprache.
Zögerlich legte Ronyon den Arm wieder auf die Armlehne. Ornina setzte die Ampulle an und lächelte ihm aufmunternd zu. »Du wirst dich in ein paar Minuten schon wieder besser fühlen«, sagte sie.
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