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Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass

Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass

Titel: Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Zahn
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Nähzeug, das sie aus ihrem Gepäck mitgenommen hatte, daran, die verschiedenen Schichten der Kleider aufzutrennen. Es hatte einmal ein Mädchen aus dem Barrio gegeben, das auf einer Diebestour ein auffälliges Outfit trug und zwei Tage später umgebracht wurde, als die eigentliche Besitzerin sie in diesem Kleid auf der Straße gesehen hatte. Und Chandris hatte nicht die Absicht, einen ähnlich dämlichen Fehler zu begehen. Für die Änderungen brauchte sie fast zwei Stunden; und als sie fertig war, hatte sie aus Teilen der drei Kleider drei völlig neue Kleider geschneidert, denen man ihre Herkunft – hoffentlich – nicht mehr ansah.
    Als Nächstes musste sie selbst sich verändern. Der erste Schritt bestand darin, die verdammte Blondierung aus dem Haar zu entfernen und ihr natürliches, glänzendes schwarzes Haar zurückzuerlangen. Dann reinigte sie Gesicht und Hände und entfernte die Kosmetika und die Grundierung, die ihre Haut so aufgehellt hatte, dass sie zum blondierten Haar passte. Die Erneuerung des Make-ups war dann ein Leichtes – nach dem, was sie gesehen hatte, benutzten die Oberklasse-Frauen an Bord der Xirrus viel weniger Make-up als Mittelklasse-Frauen, von den Frauen aus dem Barrio ganz zu schweigen. Wohl deshalb, weil sie es nicht nötig hatten, durch Kosmetik ihre Attraktivität zu steigern; und noch wahrscheinlicher aus dem Grund, weil sie sich eine Schönheitsoperation leisten konnten. Dennoch hatte, wie Trilling zu sagen pflegte, Eitelkeit auch ihr Gutes – solange diese Eitelkeit von anderen Leuten gepflegt wurde.
    Die Änderung der Frisur gestaltete sich dann schon etwas schwieriger. Die meisten Frauen, die sie auf der Suche nach Kleidern gesehen hatte, hatten weitgehend auf Haar-Frostspray, dekorative Haarklammern und mit Juwelen besetzte Clips verzichtet. Und nichts von alledem stand Chandris zur Verfügung – selbst wenn sie mit diesen Accessoires umzugehen gewusst hätte. Zum Glück hatte sie aber auch ein paar Frauen gesehen, die ihr Haar nur zu kunstvollen Zöpfen geflochten hatten; und an eine war sie sogar nah genug herangekommen, um das Flechtmuster zu begutachten. Das Muster zu kopieren war indes schwieriger als erwartet; doch mit »Geduld und Spucke« und nach ein paar misslungenen Versuchen brachte sie schließlich einen passablen Zopf zustande.
    Und nun kam der leichte Teil. Sie unterzog sich im großen Spiegel im Vorraum einer gründlichen Musterung, schaltete die Lichter aus und verließ die Kabine. Da nun das Äußere der Frau von einer Unterklasse-Diebin in eine Oberklasse-Schnepfe verwandelt worden war, war es Zeit, das Innere entsprechend zu verwandeln.
    Damals hatte sie sich eine halbe Stunde gegönnt, um den Auftritt als Mittelklasse-Collegestudentin zu üben. Doch wo sie nun zwischen den verschiedenen Oberklasse-Lounges flanierte, hatte sie ihre neue Rolle in der Hälfte dieser Zeit verinnerlicht. Zum Teil war das aus der Not geboren – sie hatte seit dem späten Vormittag nichts mehr gegessen und verspürte schon wieder das vertraute Magenknurren –, doch hauptsächlich lag es daran, dass diese Leute erstaunlich lockere Umgangsformen pflegten. Vielleicht, sagte sie sich, übernahmen das Geld und die Macht das Reden für sie.
    Der Magen knurrte schon wieder, doch zum Glück war die Rettung nah. Er wartete dezent am Rand des Blickfelds; eigentlich hatte er schon dagestanden, seit sie die zweite Lounge besucht hatte. Er war etwa vierzig Jahre alt, trug ein teuer wirkendes Jackett, eine mit Juwelen besetzte Kragenschließe – und er hatte den Blick eines Mannes auf der Jagd.
    Unter anderen Umständen hätte sie es wahrscheinlich ihm überlassen, die Initiative zu ergreifen. Doch da ihr Magen schon vor Hunger schmerzte, war sie nicht mehr gewillt, sich in Geduld zu üben. Sie bewegte sich zunächst mit abgewandtem Blick auf ihn zu, richtete den Blick plötzlich auf ihn und stieß sanft mit ihm zusammen. »Oh! Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie und sah ihm in die Augen. »Das war nicht sehr geschickt von mir, nicht wahr?«
    »Ist wirklich nicht so tragisch«, sagte er und sah sie mit dem Lächeln eines Jägers an. »Beim Flug mit einem Raumschiff passiert so etwas immer wieder. Bei einer Schubänderung der Triebwerke setzt die künstliche Schwerkraft aus und dergleichen.«
    Sie hob leicht die Augenbrauen und erwiderte das Lächeln. »Sie klingen wie jemand, der schon weit gereist ist.«
    Das war ein offensichtlicher Aufhänger, und er packte ihn mit beiden Händen.

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