Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass
Computerbildschirms spielte über ein Gesicht mit einem sehr bekümmerten Ausdruck.
Forsythes Assistent Ronyon.
Es war ausgeschlossen, dass sie das Türschloss knackte – nicht, wo die zwei gelangweilten Wachtposten jede ihrer Bewegungen verfolgten. Zum Glück musste sie sich aber auch nicht gewaltsam Zutritt verschaffen. Sie wollte ans Glas klopfen, erinnerte sich dann wieder, dass er taub war, und winkte ihm stattdessen mit einer ausladenden Geste zu.
Ronyon nahm die Bewegung wahr. Er sah auf, und plötzlich verschwanden die Sorgenfalten in seinem Gesicht und wichen einer Art freudiger Hoffnung. Er stand hastig auf, wobei der große Mann wie ein tapsiger Bär wirkte, und lief durch den Raum zur Tür. Er schloss die Tür auf und öffnete sie, wobei er mit der freien Hand aufgeregt gestikulierte.
»Einen Moment«, sagte Chandris und betrat mit erhobener Hand den Trakt. »Nicht so schnell«, fügte sie hinzu und achtete darauf, die Worte deutlich zu artikulieren. Sie wusste, dass Ronyon von den Lippen lesen konnte, aber sie war sich nicht sicher, wie gut er die Lippenbewegungen im Zwielicht der Räumlichkeiten erkannte.
Trotzdem würde er mit Sicherheit besser von den Lippen lesen können, als sie seine Zeichensprache beherrschte. Sie hatte vor ein paar Tagen ein Wörterbuch der Gebärdensprache durchgeblättert, während sie im Lagerraum der Gazelle darauf gewartet hatte, dass Kosta den Reserve-Engel der Daviees zu stehlen versuchte, und sie hatte sich alle Zeichen eingeprägt. Dass sie das vollständige Vokabular einer Fremdsprache beherrschte, bot jedoch noch keine Gewähr, dass sie auch jemanden verstand, der mit dieser Sprache aufgewachsen war. Das erforderte wahrscheinlich eine lange Praxis. »Komm, setzen wir uns doch«, sagte sie, nahm ihn am Arm und lotste ihn von der Tür weg.
Okay, signalisierte er und ließ sich von ihr zum nächsten Computerarbeitsplatz führen. Chandris wäre am liebsten wieder zu seinem Schreibtisch zurückgegangen, um zu sehen, was er so alles auf seinem Computer hatte, aber er stand für ihren Geschmack doch etwas zu nah bei den Wachtposten. Auch wenn sie Ronyons Gebärdensprache nicht beherrschten, hätten sie von da hinten Chandris’ Part der Unterhaltung ganz bestimmt mitbekommen.
Zumal sie nun auch die Vermutung beschlich, dass es sich um ein Gespräch handeln würde, bei dem Zuhörer unerwünscht waren.
Sie platzierte Ronyon am Schreibtisch, nahm sich auch einen Stuhl und setzte sich ihm gegenüber – mit dem Rücken zu den Wachtposten, um ihre Worte noch mehr zu dämpfen. »Also«, sagte sie. »Erzähl mir, was passiert ist. Langsam, bitte.«
Mr. Pirbazari hat Jereko vor einer Weile hergebracht, signalisierte Ronyon mit einer bewusst überzeichneten Gestik. Er sagte, er ist ein Spion!
Chandris musste sich beherrschen, um nicht das Gesicht zu verziehen. Dann hatte sie also Recht gehabt. »Hat er auch gesagt, wie sie es herausgefunden haben?«, fragte sie.
Ich weiß nicht, signalisierte Ronyon. Ich glaube, Mr. Forsythe hat es einfach so herausgefunden. Er ist wirklich klug.
»Ja, ich weiß«, pflichtete Chandris ihm bei. Sie hatte zumindest zur Hälfte Recht gehabt; es sah nämlich nicht so aus, als ob Kosta sich selbst gestellt hätte.
Und wenn das der Fall war, dann waren die gut gemeinten Aussagen, die er vielleicht dahingehend gemacht hatte, dass Chandris und die Daviees unschuldige Außenstehende wären, für die Katz. Falls Forsythe aus diesem Büro kam und sie hier sah, würde er wahrscheinlich die völlig falschen Schlüsse daraus ziehen. »Ist er nun mit Mr. Forsythe da drin?«, fragte sie in einem bemüht beiläufigen Ton.
Ronyon verzog das Gesicht und runzelte die Stirn. Nein, Mr. Forsythe ist nicht hier, signalisierte er. Jereko ist ganz allein da drin.
Nun war Chandris an der Reihe, die Stirn zu runzeln. »Er ist allein?«, wiederholte sie und widerstand der Versuchung, sich umzudrehen und dorthin zu sehen. Forsythe würde doch nicht einen Spion der Pax in seinem eigenen Büro einschließen und dann davonspazieren und ihn die Nacht über da drinlassen, oder?
Doch Ronyon nickte. Mr. Forsythe hat eine Weile mit ihm gesprochen, und dann ist Mr. Pirbazari reingekommen, und sie haben ein Feldbett und etwas zu essen gebracht, und dann sind sie alle gegangen. Und einer der Arbeiter ist gekommen und hat das Schloss in der Tür umgedreht, fügte er hinzu. Seine Miene hellte sich kurz auf, weil er diese Erinnerung wohl interessant fand.
Und dann verblasste
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