Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass
Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
»Da bin ich mir sicher«, sagte Ornina leise. »Du gehst jetzt aber besser mit Hanan. Es wartet noch viel Lektüre auf dich, bevor wir morgen starten.«
»In Ordnung.« Chandris drehte sich zu Hanan um, der noch immer in der Tür wartete und lächelte. Sie hatte es geschafft; sie hatte es wirklich geschafft. »Ich bin bereit.«
Und als er sie durch den schmalen, von Metallwänden gesäumten Korridor führte, lächelte sie erneut. Diesmal aber nur innerlich.
9
Die Datenbank-Codes waren leicht zu erlernen, was man vom System an sich nicht unbedingt sagen konnte. Kosta brauchte über eine Stunde, um sich auf der Grundlage seiner Pax-orientierten Computerkenntnisse so weit in das empyreale System einzuarbeiten, dass er nicht mehr jeden zweiten Befehl falsch eingab.
Und er brauchte den Rest des Tages, um den Dateiindex für Engel und Angelmass zu sichten. Nicht die Dateien selbst, sondern nur den Index.
Die Sonne verschwand bereits hinter den geduckten Gebäuden von Shikari City, als er schließlich den Stuhl vom Schreibtisch zurückschob. Seine Schultern schmerzten vor Müdigkeit und noch einer ganz anderen Anspannung. Die Datenbank reichte fast dreißig Jahre zurück: fünfzig Jahre nach Seraphs Kolonisierung und hundertfünfzig Jahre, nachdem die erste Gruppe abtrünniger Kolonisten auf Uhuru gelandet war. Damals war Angelmass nicht mehr gewesen als ein stark strahlendes Schwarzes Quantenloch, und die Engel selbst wenig mehr als ein exotisches Kuriosum, über das Quantentheoretiker sich trefflich streiten konnten. Erst in den letzten zwanzig Jahren hatte sich alles geändert.
Was bedeutete, dass die Forscher fünf unterbevölkerter Planeten weniger als zwanzig Jahre gebraucht hatten, um all das zusammenzutragen.
Kosta hatte schon gesehen, dass Forschungsprojekte mit einer kompromisslosen Zielstrebigkeit forciert wurden. Doch das hier grenzte schon an Besessenheit.
Er sah aus dem Fenster auf die Gebäude, die sich gegen einen brillant gefärbten Himmel abzeichneten, und es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Nein, das grenzte schon nicht mehr daran. Es war eine Besessenheit.
Es gab gar keine andere Erklärung. Das Institut, die Armada von Jägerschiffen und ihre logistischen Stützpunkte im Nordosten, ganz Shikari City – die Empyreaner betrieben unter dem Gesichtspunkt von Zeit und Mühe und Geld einen unglaublichen Aufwand mit dieser Engelsache.
Und dabei verfiel die Stadt Magasca unbemerkt unter ihren Füßen.
Er schauderte erneut. Nein, er hatte nicht glauben wollen, dass die Engel wirklich die Bedrohung waren, für die die Pax sie hielten. Und nun glaubte er es erstmals selbst. Langsam, aber sicher übernahmen die Engel das Empyreanum. Die politische Elite stand bereits unter dem Einfluss der Engel; und das galt auch für die besten Wissenschaftler und Forscher des Empyreanums, wie er nun erkannte.
Womöglich war es schon zu spät, um sie überhaupt noch aufzuhalten.
Das war ein erschreckender Gedanke, aber es sprach alles dafür. Jedem Offiziellen der Pax, dem er während seiner Ausbildung begegnet war, war es todernst damit gewesen, diesen fremdartigen Einfluss zu stoppen. Sie hatten die Notwendigkeit betont, die Empyreaner zu retten und sie unter den Schutzschirm der Pax zu führen; und sie hatten auch keinen Zweifel daran gelassen, dass die Pax alles Notwendige tun würden, um dieses Ziel zu erreichen. Es war eine Botschaft, die die Führer des Empyreanums kaum hatten missverstehen können.
Und doch war er auf dem Raumhafen von Seraph allenfalls einer flüchtigen Identitätskontrolle unterzogen worden. Und im Institut selbst war überhaupt keine Kontrolle gewesen. Direktorin Podolak, Leiterin des mutmaßlich wichtigsten Projekts im Empyreanum, hatte ihn freudig im Allerheiligsten des Projekts willkommen geheißen, ohne ihm auch nur eine einzige Frage bezüglich seiner Qualifikation, seines Hintergrunds oder seiner Expertise gestellt zu haben.
Seine Ausbilder hatten ihm gesagt, dass die Empyreaner sich weigerten, die von den Engeln ausgehende Bedrohung zur Kenntnis zu nehmen. Und nun sah Kosta, dass sie genauso blind für die Bedrohung waren, die von den Pax ausging.
Das ergab doch keinen Sinn – es sei denn, der fremdartige Einfluss war noch stärker, als allen bewusst war. Es sei denn, dass jeder im Empyreanum bereits davon betroffen war. Dass er schon in einen gleichgültigen, passiven Roboter mit einer glücklichen Miene verwandelt worden war.
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