Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass
Theorie schon so oft modifiziert und bestätigt, dass sie nicht einmal mehr im selben Atemzug mit Reynold genannt wurde. »Muss ich also so lange warten, um zu hören, was es mit dieser Acchaa -Theorie auf sich hat?«
Gyasi grinste. »Nein. Sie sind ja jetzt ein Mitglied des Klubs.« Das Lächeln wich einem leichten Stirnrunzeln. »Sie wollen damit doch nicht etwa sagen, dass wir noch nichts von der Acchaa -Theorie gehört hätten, oder? Ich meine …« Er machte eine ausladende Geste, mit der er den Raum oder vielleicht auch das ganze Institut umfasste. »… Sie sind doch hier . Richtig?«
Kosta zuckte die Achseln, und seine Gedanken jagten sich. »Wie ich schon sagte, ich bin ganz unvoreingenommen nach Seraph gekommen«, improvisierte er. »Zumal ich mir sagte, dass die Hälfte der Theorien, in die ich mich auf Balmoral eingelesen hatte, wohl schon nicht mehr aktuell gewesen wäre, sobald ich hier eingetroffen war.«
»Sehr gut«, sagte Gyasi. »Wir sprechen schließlich über Balmoral.«
»Entzückend«, sagte Kosta knurrend. Diesmal dachte er daran, sich gemäß seiner Rolle zu verhalten.
Gyasi grinste. »Verzeihung. Der elitäre Dünkel klebt an einem wie ein alter Kaugummi, müssen Sie wissen.«
Das Grinsen verschwand, und sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. »Sehen Sie, der entscheidende Punkt ist der, dass die Engel nicht einfach nur ein weiteres subatomares Teilchen sein können. Dann könnten sie nämlich unmöglich stabil sein – nicht bei dieser Masse und Ladung. Deshalb passt die Acchaa -Theorie hier auch so gut; gemäß dieser Theorie sind sie eigentlich Quanten – elementare Bausteine, so wie Photonen und Elektronen. Und Quanten müssen definitionsgemäß stabil sein. Sie verstehen?«
»Ich kenne mich ein wenig in der Quantentheorie aus, vielen Dank«, erwiderte Kosta – vielleicht etwas zu trocken. » So weit hinkt Balmoral der aktuellen Entwicklung nun auch wieder nicht hinterher. Wovon genau sollen sie also Quanten sein?«
Gyasi schien sich innerlich zu straffen. »Sie sind Quanten«, sagte er, »von dem, was die Menschheit immer als das Gute bezeichnet hat.«
Für eine Weile starrte Kosta ihn nur an, und das Wort hüpfte in seinem Gehirn herum wie ein Hase, der von einem Dutzend Hunden gleichzeitig gehetzt wurde. »Das ist doch ein Witz«, hörte er sich sagen. »Oder? Das ist ein Scherz, den ihr euch mit Neuankömmlingen erlaubt.«
Gyasi schüttelte den Kopf. »Das ist kein Witz, mein Freund.« Er deutete auf Kostas Bildschirm. »Sie können sich gern selbst davon überzeugen – es gibt genügend Papiere zur Acchaa -Theorie, die zwei separate Listings erfordern.«
Kostas Gedanken jagten sich noch immer. »Das ist doch verrückt«, sagte er zu Gyasi. »Gut und Böse – das kann man doch nicht quantisieren.«
»Wieso denn nicht?«, fragte Gyasi.
»Wieso nicht ?« Kosta biss die Zähne fest zusammen. »Kommen Sie schon, Gyasi. Gut und Böse existieren doch nicht in einem Vakuum – sie sind das Ergebnis menschlichen Handelns.«
Gyasi streckte die Hände aus und drehte die Handflächen nach oben. »Licht ist das Ergebnis von Wasserstoffmolekülen, die im Mittelpunkt eines Sterns in einem Fusionsprozess miteinander verschmelzen«, erläuterte er. »Oder wenn man einen Schalter betätigt. Das heißt aber nicht, dass Licht nicht quantisiert wäre.«
»Das ist eine unzulässige Argumentation«, widersprach Kosta. »Sie sprechen hier von zwei völlig verschiedenen Dingen.«
»Wieso das?«
»Nun …« Kosta rang für einen Moment nach Worten. »Nun, zum einen sind Lichtteilchen überall gleich. Es gibt jedoch keinen solchen universalen Standard zur Definition von Gut und Böse. Das ist kulturell unterschiedlich.«
»Ein interessantes Argument«, sagte Gyasi und nickte. »Bedeutet das dann auch, dass es keine einheitliche Definition von Gut und Böse für die menschlichen Gesellschaften gibt?«
Kosta musterte ihn und witterte eine Falle. »Sagen Sie es mir«, erwiderte er. »Sie sind doch offensichtlich der Experte.«
»Gar nicht.« Gyasi schüttelte den Kopf. »Doch wie alle anderen auch habe ich in den letzten Jahren viel darüber nachgedacht. Und wenn ich auch nicht alle Antworten parat habe, sind mir jedenfalls ein paar interessante Fragen in den Sinn gekommen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel die, wie Menschen langfristig in einer Kultur existieren können, die die meisten außenstehenden Beobachter als böse bezeichnen würden. Und nicht nur existieren – sondern
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