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Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass

Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass

Titel: Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Zahn
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falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte. Möchtest du einen Tee?«
    Chandris holte tief Luft, und ihre Müdigkeit war plötzlich verschwunden. Dass sie ausgerechnet hier einen so arglosen, gutgläubigen Deppen gefunden hatte. Manchmal konnte sie ihr Glück selbst kaum fassen. »Vielen Dank«, sagte sie und ging schnell zur Gangway zurück. »Eine Tasse Tee wäre jetzt genau das Richtige.«
    Der Tee war heiß, aromatisch und kräftig, mit einer Prise Sadras-Gewürz und wahrscheinlich etwas Zimt. Das richtige Getränk für einen Arbeitsmann; rustikal, wärmend und unprätentiös. Genau die Sorte Tee, sagte sich Chandris, als sie einen Schluck davon nahm, von dem sie erwarten würde, dass so ein Birkenstockträger sie einem Fremden anbot.
    Nicht, dass sie es nicht zu schätzen gewusst hätte. Es wurde wirklich nicht wärmer draußen, und erst als Chandris sich aufwärmte, wurde ihr bewusst, wie kalt es wirklich schon geworden war. Sie führte die Tasse zum Mund, sog den aufsteigenden Dampf ein und unterdrückte ein Schaudern.
    Zumindest glaubte sie, sie hätte es unterdrückt. »Ist dir noch immer kalt, Kindchen?«, fragte die pummelige Frau, die ihr am Tisch gegenübersaß, und griff nach der Teekanne. »… Ächz!«, sagte sie noch, schob den Stuhl zurück und wollte aufstehen.
    Der übergewichtige Mann auf dem Stuhl neben ihr reagierte schneller. »Ich mache das schon«, sagte er und wuchtete sich selbst auf die Füße. Er nahm ihr die leere Teekanne aus der Hand und ging damit zum Samowar auf der Anrichte. »Mit einer Prise Sadras, oder?«, fragte er über die Schulter.
    Die Frau sah Chandris vielsagend an. »Da siehst du mal, wie oft er hier den Tee zubereitet«, sagte sie.
    »Das ist unfair«, protestierte der Mann, drehte sich um und warf ihr einen verletzten Blick zu. »Wie kannst du so etwas sagen? Ich hatte doch eben erst – mal überlegen – ja, es ist gerade erst zwei Jahre her. An einem Sonntag, soweit ich mich erinnere.«
    Die Frau verdrehte die Augen gen Himmel. »Ich hoffe, du magst recht viel Sadras im Tee«, warnte sie Chandris.
    Chandris nickte stumm. Sie sah zu, wie der Mann ebenso beflissen wie unbeholfen mit der Teekanne hantierte, und fragte sich, wo in aller Welt sie da hineingeraten war.
    Ihre Namen waren Hanan und Ornina Daviee. Nicht Mann und Frau, wie sie zunächst angenommen hatte, sondern Bruder und Schwester – laut Hanan das einzige derartige Team unter den etwas mehr als zweihundert Jägerschiffen, die derzeit im Geschäft waren. Da sie nun wusste, worauf sie zu achten hatte, erkannte sie auch die ausgeprägte Familienähnlichkeit: Beide waren mittelgroß, beide waren sie übergewichtig – Hanan mehr noch als seine Schwester –, mit schmalen Gesichtern und ausdrucksvollen braunen Augen. Orninas dunkles Haar war grau meliert; und Hanan hatte sein Haar schon fast ganz verloren.
    Und Hanan war verkrüppelt.
    Keiner von beiden hatte das erwähnt, aber es war auch nicht so, dass man es geheim halten konnte. Jedes Mal, wenn Hanan die Hand nach etwas ausstreckte, erhaschte Chandris einen Blick auf die filigrane Exo-Prothese, die über seinen Arm verlief; und diejenigen, die an den Beinen entlang verliefen, waren daran erkennbar, dass sie sich unter dem Material seines Overalls abzeichneten.
    Und wenn Chandris sich konzentrierte, konnte sie auch das leise Wimmern winziger Motoren hören, die sich synchron mit seinen Bewegungen ein- und ausschalteten. Sie sah in den Becher und lauschte den Motoren – sie wollte ihn nicht anstarren, aber dennoch fragte sie sich unbehaglich, was ihm wohl zugestoßen war.
    Plötzlich tauchte direkt vor ihrer Nase der Ausguss der Teekanne. Sie riss den Kopf hoch und sah, dass Hanan sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen musterte. »Noch etwas Tee?«, fragte er unschuldig.
    »Vielen Dank«, sagte Chandris und rief ihn mit einem strengen Blick zur Ordnung, während er ihr einschenkte. Er erwiderte ihren Blick mit einem freundlichen Lächeln, stellte die Teekanne auf dem Tisch ab und ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen.
    Ornina war nichts von alledem entgangen. »Du musst Hanan seine kleinen Spielchen nachsehen, Chandris«, sagte sie und bedachte ihren Bruder mit dem gleichen Blick, den Chandris ihm eben zugeworfen hatte – mit ungefähr dem gleichen Erfolg. »Oder lerne wenigstens, mit ihnen zu leben. Er hatte eine schwere Kindheit, musst du wissen.« Sie nahm die Teekanne, füllte Hanans Becher auf und dann ihren eigenen. »Nun gut.

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