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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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hängen mir die Haare bloß immer ins Gesicht.«
    »Klar.«
    Maria drehte sich um. Ubu setzte sich mit gespreizten Beinen auf sie und hielt sie mit seinen starken Schenkelmuskeln fest, während seine vier Arme sorgfältig und präzise Zöpfe flochten. Als er fertig war, streckte sie sich wieder und hing zufrieden im Netz.
    »Ich will nicht zurück«, sagte Ubu. Der Ton in seiner Stimme bewirkte, daß sie ihn über die Schulter hinweg ansah.
    »Ich bin bereit«, sagte sie. »Ich hätte Lust, mich mal wieder in der Randzone von Engel umzuschauen.« Sie grinste, »‘n paar alte Freunde besuchen. Bißchen Blackhole spielen. Könnte Spaß machen, wo die Einsätze jetzt unwichtig sind.«
    »Die Randzone stirbt«, sagte Ubu. »Da können wir nichts gegen machen. Ganz gleich, wie erfolgreich wir sind.« Er wandte den Blick ab. »Ich will dabei nicht zusehen müssen.«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. Etwas hatte sich geändert. »Was ist denn los? Was ist passiert?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich hab gerade gedacht, daß wir im Augenblick Gewinner sind. Wir haben als einzige Kenntnis von einer fremden Zivilisation, wir haben eine Fracht, die zweistellige Millionenbeträge wert ist, wir haben unsere Freiheit … und wenn alles gut geht, können wir bestenfalls behalten, was wir schon haben. Wenn nicht, verlieren wir’s.«
    Wir verlieren einander. Sie wußte, daß es das war, was er meinte. Sie rollte sich zu ihm herum.
    »Wir können nichts anderes tun, stimmt’s?« sagte sie. »Wir können uns nicht ewig hier draußen verstecken.«
    »Nein.«
    »Und wir haben unsere Pläne. Deine Pläne. Vorfabrizierte Schiffe, Stationen …«
    »Ja.« Er ließ ein halbherziges Grinsen sehen. »Haufenweise Pläne. Aber im Moment sind wir ihnen allen einen Schritt voraus, und das war ich noch nie. Ich wünschte einfach, wir könnten jetzt aussteigen.«
    Sie seufzte und ließ sich gegen die Polymerisatgurte treiben. »Ich weiß nicht, was du willst, Ubu«, sagte sie.
    »Bloß das, was ich jetzt habe. Sonst eigentlich nichts.«
    Maria legte ihm die Arme um den Hals und sah ihm ruhig in die Augen. »Hey. Die Dinge ändern sich.«
    »Ja.« Seine Augen waren auf einmal hart – spröde Splitter aus blauem Glas. Er griff nach dem Netz und begann es loszumachen, um sich daraus zu befreien.
    Marias Puls schlug ein wenig schneller. »Wo willst du hin?«
    »Wird Zeit, sich auf den Schuß vorzubereiten.« Seine Stimme war scharf. Er war wütend, und Maria verstand nicht, warum. »Und wir sollten Zwölf zeigen, wie man den Zentrifugenfahrstuhl benutzt, damit wir’s nicht bei Schwerkraft tun müssen. Wenn er nicht damit umgehen kann, macht er vielleicht was kaputt.«
    Traurigkeit wehte über sie hinweg. Sie wußte nicht, wie das angefangen hatte, wie sie es beenden sollte, was es bedeutete.
    »Okay«, sagte sie. »Wenn du’s so willst.«

    Nachdem er gelernt hatte, wie man die Nabe der Zentrifuge betrat und mit dem kleinen Fahrstuhl zu den Hauptkontrollstationen in der unteren Ebene der Zentrifuge hinunterfuhr, kehrte Zwölf in den Hilfskontrollraum zurück und schnallte sich auf seinem Liegesessel fest. Dort blieb er während des Schusses, gelähmt vor Entsetzen. Er war während eines Schusses noch nie bei Bewußtsein gewesen und hatte Angst, daß es genauso schrecklich sein würde wie die Beschleunigungsphase, in der sie sich aus dem Schwerkraftfeld des blaugrünen Riesen katapultiert hatten. Er lauschte dem automatischen Countdown, während sich seine Finger um die Armlehnen des Sessels klammerten, und dann – in seinem Bewußtsein gab es nicht einmal ein Blinken – war es vorbei. Erstaunen durchströmte ihn, dann Freude. Er hatte überlebt, heil an Leib und Seele.
    Er öffnete den Schrank mit den Nahrungsmitteln, aß, trank Wasser aus dem Hahn – niemand hatte ihm gezeigt, wie man den Wasserspender für Tassen bediente – und benutzte dann die Toilette. Er spielte mit dem Recorder herum. »Wir möchten dir ts-seigen, wie man die Kommunikatziontztafel bedient«, wiederholte er und bemühte sich dabei, Marias Tonfall richtig hinzukriegen. Er gab immer wieder zufällige, beiläufige Summgeräusche von sich und hatte große Schwierigkeiten mit den Zischlauten. »Von dort auß kanntzt du mit untz schprechen, wenn du etwaß brauchßt; du kanntzt auch Mußik oder Illuschtreifen aufrufen, die dir helfen, unsere Schprache zu erlernen.«
    Illustreifen. Zwölf versuchte, nicht daran zu denken.
    Er ließ den Recorder laufen, wiederholte die Worte, fixierte

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