Engelstation
sie in seinem Geist; aber es dauerte nicht lange, dann geriet die Unterhaltung in verwirrende Bereiche, und Zwölf beschloß, sich jetzt noch nicht mit dem Problem der menschlichen Widersprüchlichkeit zu befassen.
Zwölf hörte sich den ersten Teil der Unterhaltung etliche Male an, wiederholte die Worte laut und spulte zurück, bis er eine annehmbare Imitation von Ubu und Maria hinbekam, nicht nur ihrer Worte und ihres Tonfalls, sondern auch der Stimmen selbst. Er versuchte, Sätze zu erfinden, in denen er die Worte in anderer Anordnung benutzte, aber die Mischung von Ubus und Marias Stimmen klang merkwürdig, und aus diesem Grund mußte er eine weitere Stimme erfinden, eine Art Modulation der ersten beiden. Er arbeitete hart daran.
Zeit verging. Er aß und trank erneut.
Er ertappte sich dabei, wie er die Kommunikationstafel anschaute.
Illustreifen.
Seine Herzen schlugen schneller. Zwölf beugte sich zur Kommunikationstafel vor, rief den Index auf, suchte sich einen Titel aus den Hunderten aus, die zur Verfügung standen, und schaltete seinen Recorder ein.
Der Titel des ausgewählten Illustreifens lautete Blutbad in Haus Vier , was Zwölf hoffnungsvoll als Andeutung auffaßte, der Inhalt könnte etwas mit Genetik zu tun haben. Leider stellte sich heraus, daß der Titel absolut irreführend war.
Die Handlung des Illustreifens war komplex und gab viel Anlaß zum Nachdenken. Es schien um einen Machtkampf zwischen einer Reihe menschlicher Clans zu gehen. Ahmad, die Hauptfigur, war ein ›Agent‹ eines Clans; er war irgendwie in einen anderen Clan eingeschleust worden, um dessen Absichten aufzudecken. Es hätte Zwölf interessiert, wie diese Einschleusung genau vonstatten gegangen war, aber das blieb bedauerlicherweise unklar. Zwölf leuchtete ein, wie nützlich es wäre, seine eigenen Diener als die eines anderen ausgeben zu können, aber er hatte noch nie von einem Weg gehört, mit seinen genetischen Markern unerkannt zu bleiben. Trotzdem, da operierte dieser Ahmad unter seinen Feinden, ohne daß diese seine Herkunft rochen. Möglicherweise, vermerkte Zwölf, konnte die Geliebte diese Fähigkeit von den Menschen erwerben und sich und ihre Diener damit nahezu unbesiegbar machen. Er würde sich danach erkundigen.
Zwölf beobachtete, daß ein großer Teil der menschlichen Kommunikation über ›Gesichtsausdrücke‹ abzulaufen schien, in erster Linie durch das ständige Bewegen von ›Augenbrauen‹, die immerfort auf und ab gingen, sich zusammenzogen und entspannten. Er begann deren Position zu kategorisieren, gab das Unterfangen jedoch als hoffnungslos auf – es waren zu viele, und er verstand noch nicht genug vom Kontext.
Ahmads Aufgabe wurde ziemlich bald durch das Auftauchen eines weiblichen Feindes namens Kirstie kompliziert, dessen Beruf als ›Skalpjäger‹ angegeben wurde, ein Wort, das in Zwölfs Vokabular nicht vorkam, aber anscheinend jemanden bezeichnete, der mit dem Aufspüren der Agenten feindlicher Clans befaßt war. Statt Kirstie aus dem Weg zu gehen, schien sich Ahmad unerklärlicherweise zu ihr hingezogen zu fühlen. Diese Perversität konnte Zwölf zuerst gar nicht begreifen; später folgerte er jedoch, daß Kirsties Typ wertvolle Erbanlagen besaß, die Ahmads Klan unbedingt haben wollte. Kirstie reagierte mißtrauisch auf Ahmads Annäherungsversuche, was keine Überraschung war, und drückte ihren Mund und ihre Nase häufig an seinen Körper, wohl in dem Versuch, seine fremde Genstruktur zu entdecken. Ahmad demonstrierte sein Vertrauen in seine Fähigkeiten, sich zu tarnen, indem es dies zuließ.
Gleichzeitig spielten sich komplizierte Intrigen ab – in Abwesenheit der Führerin von Kirsties Clan, die merkwürdigerweise nie gezeigt wurde und von der auch niemand sprach, gerieten diverse Diener über die Auslegung der Clanpolitik in Streit und begannen einander wie die Wahnsinnigen umzubringen. Kirstie war ebenfalls an diesem Gemetzel beteiligt, und Ahmad überredete sie, sich den Streitkräften seines eigenen Clans anzuschließen, um die Ordnung wiederherzustellen. Obwohl es nicht explizit gesagt wurde, schien der Preis für seine Hilfe im Besitz von Kirstie und ihrer wertvollen Gene zu bestehen, denn nach einem langen Kampf, in dem die Streitkräfte von Kirsties Clan fast vollständig aufgerieben wurden, ging sie widerspruchslos mit zu Ahmads Clan.
Als er hinterher über das Geschehen nachdachte, kam Zwölf trotz Marias Beharren darauf, daß Illustreifen nicht unbedingt lehrreich sein
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