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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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dannen.
    Maria sah Zwölf an und merkte überrascht, daß er sich bewegte; er legte sich in seinem Netz ein wenig anders hin. Sie faßte wieder Mut. Sie wartete darauf, daß seine Augen sich auf etwas richteten, daß sein Körper sich straffte. Vergeblich.
    Er hatte es sich ein bißchen bequemer gemacht, das war alles. Das ließ zumindest ein wenig hoffen, daß dort drin noch etwas reagierte.
    Sie warteten darauf, daß er wieder zu Bewußtsein kam. Warteten stundenlang.

    Ubu legte die Kopfhörergarnitur weg. Die letzten Verse der Grabesspenderinnen tönten immer noch in seinem Kopf. Er hatte sich den Streifen lieber mit dem Stimset angesehen, als das Risiko einzugehen, Zwölf noch tiefer in den Schock zu treiben, indem er ihn noch einmal laut abspielte. Das Geschehen war verwirrend gewesen, und Enttäuschung durchflatterte Ubu wie die hetzenden Furien in dem Illustreifen.
    Er schüttelte den Kopf. »Echt abgedreht«, sagte er.
    »Worum ging’s?«
    »Um eine Gruppe von Menschen aus der alten Zeit, die in Mudville lebten. Die Mutter bringt den Vater um, bevor die Geschichte anfängt. Deshalb tun sich der Sohn und die Tochter mit einem Gott zusammen, um die Mutter und ihren jungen Freund zu töten. Das Ganze war – ich schätze, es war Dichtung. Und da war diese merkwürdige … Gruppe von Frauen … die in dem Stück immer wieder auftauchte. Sie sangen und tanzten, während sie Becken zusammenschlugen und trommelten. Und dann kamen noch Dämonen und der Gott drin vor. Ich glaube wenigstens, daß es Dämonen waren.« Er hob die Schultern. Zielloser Zorn durchlief ihn und ließ ihn erschauern. »Ziemlich seltsam. Ich werd nicht recht schlau draus.«
    »Haben wir ‘nen Schnellkurs drüber?«
    »Das bezweifle ich.« Seine Hände begannen auf Tasten einzuhämmern. »Ich glaub nicht, daß es das Video war, was Zwölf so aus der Fassung gebracht hat«, sagte er. »Da war nicht mal irgendwelche Gewalt zu sehen. Passierte alles woanders. In Blutbad hat’s bestimmt an die fünfhundert Leichen gegeben, und Zwölf hat sich einfach das nächste Video angeschaut.« Daten flimmerten mitten in der Luft. Ubu sah sie genau an. »Wir haben keinen Schnellkurs, aber eine aufgezeichnete Lektion über die dramatische Dichtung der Griechen. Was immer die ›Griechen‹ sein mögen.«
    »Auf Cartridge oder im Datenspeicher?«
    »Im Datenspeicher. Ich glaube, sie war zusammen mit einem Haufen anderer alter Videos, die sich keiner je anschaut, im Holocomputer, als wir ihn gekriegt haben – ich wette, die hat sich noch kein Mensch angesehen.«
    Maria sah ihn an. »Sollen wir mal einen Blick auf den Text werfen?«
    Ubu überlegte einen Augenblick lang, dann schüttelte er den Kopf. »Ich sehe keinen Grund dazu. Ich glaube nicht, daß der Illustreifen was damit zu tun hatte. Meiner Meinung nach ist Zwölf krank.«
    Marias Blick war düster. »Ich glaube, du hast recht.«
    Ubu machte seinen Bauchgurt auf, stieß sich vom Sessel ab und streckte seine Muskeln. Die ganze Sache war reine Zeitverschwendung gewesen. Die absonderlichen Rhythmen der Chöre klagten in seinem Gedächtnis. Er sah erst Zwölf und dann Maria an. Plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke.
    »Hey«, sagte er. »Vielleicht war’s die Musik in dem Video. Vielleicht hatten die Trommeln den falschen Rhythmus. Was, wenn sie in dem Video den Rhythmus eingesetzt haben, den die Geliebte benutzt, wenn sie Zwölf sagt, er soll schlafen gehen?«
    Maria war verblüfft. »Meinst du?«
    »Ich hol einen Sizer. Du wartest hier.«
    Ubu drehte sich um. Seine Füße berührten eine Griffstange, und er schoß in den Korridor hinaus. Er kam mit dem Sizer zurück und schloß ihn an die Energiequelle des Schiffes an.
    Die verschiedenartigen Rhythmen der Geliebten begannen in seinem Kopf zu pochen. Da war ein Muster, das die Geliebte während der Verhandlungssitzungen häufiger benutzt hatte als die anderen. Er programmierte es in den Synthesizer und setzte ihn in Gang. Trommelschläge dröhnten durch den kleinen Raum.
    Ubu beobachtete Zwölf. Enttäuschung nagte an ihm.
    Das Getrommel ging weiter.
    Eine Stunde später begann sich Zwölf zu regen.

    Geliebte. Ein warmes Gefühl der Sicherheit begann in Zwölf zu wispern. Sein Bewußtsein kehrte langsam zurück.
    Horror! Blasphemie! Die Erinnerung kam wie ein Schock. Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er ertappte sich dabei, wie er laut » Vorsicht! « schrie. » Gefahr für die Geliebte! «
    »He! Wach auf! Sprich Melange, ja?« Eine feindliche,

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