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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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ich an dich verkaufe.«
    Das war von vorn bis hinten gelogen, obwohl Marco das nach Ubus Ansicht unmöglich genau wissen konnte. In Wahrheit hatte er den Kredit von der Ottobanque überhaupt nur bekommen, weil er Maria dazu überredet hatte, deren Computersystem zu stören. Der Kredit war in nicht einmal einer Woche fällig, und es gab nur einen einzigen Weg, die Frist zu verlängern, nämlich die Elektronik der Ottobanque hier zu stören, was die Gefahr verdoppelte, daß die Bankcomputer bemerkten, daß sich jemand an ihnen zu schaffen gemacht hatte.
    Wenn Ubu seine Fracht nicht los wurde, konnte er die neuen Steuern und Dockgebühren hier auf der Engelstation nicht bezahlen, die von den Multi-Pollies im Rahmen ihrer Konsolidierungspolitik erhoben wurden.
    Ubu schaute kühl in Marcos bärtiges Gesicht und spielte seinen Trumpf aus. »Außerdem hast du einen Exklusivvertrag mit PDK und Seven Systems, wie ich höre. Ich weiß nicht, wie die Bedingungen darin lauten, aber es könnte sein, daß PDK sich die Sache noch mal überlegt, wenn ich direkt an sie verkaufe und sie feststellen, daß sie hier draußen noch einen anderen Lieferanten kriegen könnten.«
    Der Striffschrei endete mit einem knatternden Percussionssperrfeuer und gebrochenen Gitarrenarpeggios. Mutantos klatschten mit allen vier Händen Beifall und jubelten der Band zu.
    Marcos Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber er langte in seinen Schoß hinunter, brachte einen Zerstäuber mit Neurotransmittersaft zum Vorschein und jagte sich eine Dosis in jedes Nasenloch. Das bedeutete, daß er angestrengt nachdachte.
    Ubu lächelte hinter seinem ausdruckslosen Gesicht.

    Der Illustreifen hieß Erneuerung . Er war auf einem Planeten gedreht worden, wo die Menschen hauptsächlich Mandarin sprachen, aber es gab auch Untertitel in Melange sowie die Ideogramme neuen Stils für jene, die in anderen asiatischen Sprachen zu Hause waren. Die Geschichte lief noch nicht lange, da war Ubu schon dankbar, daß er nicht verstehen konnte, was die Leute sagten.
    Der Illustreifen hatte überall gute Kritiken bekommen, und die Geschichte war angeblich wahr. Sie handelte von enteigneten Shootern, Menschen, die durch ihre Verantwortungslosigkeit und ihre Unfähigkeit alles verloren hatten, und davon, wie ein paar Unverdorbene von den warmherzigen Menschen einer Gründlingsgemeinde rehabilitiert und einer nützlichen Arbeit zugeführt wurden.
    Die Story schwieg sich darüber aus, wie es kam, daß die Shooter nicht mehr imstande waren, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Kein Wort davon, daß die Gründlinge eine Regierung gewählt hatten, die Multi-Pollies in den Kern des von Menschen bewohnten Raumsektors geschickt hatte, welche dann ihrerseits beschlossen hatten, die Konsolidierung ins Leben zu rufen und eine Lebensweise zu zerstören.
    Wer immer den Illustreifen gemacht hatte, war wohl nie einem Shooter begegnet noch je in seinem Leben aus einem planetarischen Schwerkraftschacht herausgekommen. In dem Streifen wurde das Shooterleben wüst übertrieben dargestellt, nichts als Wahnsinn und von Drogen hervorgerufene Brutalität, obwohl es inmitten all der Dekadenz ein paar junge Menschen mit reinem Herzen gab, die sich nach einem besseren Leben sehnten.
    Es fehlte so vieles, dachte Ubu. Das Gemeinschaftsgefühl, die Art und Weise, wie die Familien hier draußen tatsächlich funktionierten. Und die Musik: Kein einziges Musikinstrument war zu sehen.
    »So ein Scheiß«, sagte Ubu und streckte die Hand zu den Holokontrollen aus. Er wußte bereits, wie es ausgehen würde. Der Held würde sich wieder in die Gesellschaft eingliedern und am Schluß die unverdorbene Schönheit vom Lande kriegen; der beste Freund des Helden würde infolge seines Drogengebrauchs ein tragisches Ende nehmen; das sechs Jahre alte blonde Waisenmädchen würde vor ihrem Scheusal von einem Vater gerettet werden; und jeder übriggebliebene Shooter, der älter als sechzehn war, würde auf dem kürzestmöglichen Weg zur Hölle fahren.
    Soweit Ubu sehen konnte, schien die Hölle genau der richtige Platz für ihn zu sein.
    Er hämmerte auf die Kontrollen ein. Das plötzliche Verschwinden des Illustreifens vom 3D-Schirm des Salons schien ein klaffendes Loch in Ubus Herz zu hinterlassen. Sehen sie uns wirklich so? fragte er sich.
    Ziellose Wut schüttelte ihn wie einen Eimer, in den jemand Steine warf. Milliarden hatten den Streifen gesehen. Milliarden wußten jetzt, daß die Shooterfamilien wegen ihrer eigenen

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