Engelstation
überprüft. Schließlich beschloß Marco, alles zu löschen und die Software von dem ursprünglichen molekularen Datenspeicher, der in dem Safe mit den Stahlwänden aufbewahrt wurde, neu zu laden.
Drei Schüsse folgten. Jeder war eine Katastrophe gewesen, und jetzt trieb die Abrazo wieder im Raum.
»Shooterin Maria«, wiederholte Marco. Seine Stimme war laut in der kleinen Kabine. »Ich möchte wissen, ob du unser Problem verstehst.«
»Deine Shooter haben danebengeschossen.« Die schöne Maria zupfte an einem blaßgrünen Farbfleck an einer Hand herum. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt gewesen war, die Schüsse zu stören, hatte sie Pornos von den Wänden gekratzt und sie frisch gestrichen.
»Vielleicht hindert sie etwas daran, das Ziel exakt zu treffen«, sagte Marco. »Hast du eine Ahnung, was das sein könnte?«
Maria zuckte die Achseln und kratzte an der grünen Farbe. »Vielleicht hat eure Singularität eine Verdauungsstörung.«
»Wir haben uns die Spektren angesehen. Das Schwarze Loch arbeitet nur während der Schüsse.«
»Dann ein Software-Problem.« Maria schlenkerte ihre Hand mit dem Farbklecks hin und her. »Oder ein Hardware-Problem.« Schließlich hob sie den Blick von ihrer Hand und sah Marco an. »Was fragst du mich? Ich war die ganze Zeit in dieser Kabine.«
»Komischer Zufall. Du kommst an Bord, und unsere Schüsse gehen daneben. Und dann war da dieser Asteroidensturm – unser Radar hat ihn gesehen, aber das der Runaway nicht, und das vom Schimmernden Clan auch nicht. Wir haben Ausweichmanöver durchgeführt, sie aber nicht.«
»Ich wüßte nicht, wie ich einen Asteroidensturm und einen Haufen schlechter Schüsse verursachen könnte.«
»In dieser Kabine hat man Zugang zum Computer.«
Maria brach in Gelächter aus. »Kit war während der Schüsse bei mir. Frag ihn. Ich war nicht mal in der Nähe des Terminals. Die meiste Zeit haben wir uns Illustreifen angeschaut.«
»Du hättest irgendwas an Bord bringen oder ein Programm in den Kernspeicher laden können, das die Schußsoftware stört.«
Maria starrte ihn an. » Hätte ich. Hab ich aber nicht.« Marco würde wesentlich mehr Phantasie aufbringen müssen, bevor sie gezwungen sein würde, ihn direkt anzulügen. »Außerdem dachte ich, du hättest die Software gelöscht und sie vom ursprünglichen Speichermedium neu geladen.«
»Du hättest deine Sabotagesoftware auch neu laden können.« Marco beugte sich nah zu ihr. Marias Blick fiel auf die grauen Büschel unter seinen Armen.
»Ich werde das Terminal hier drin deaktivieren«, erklärte Marco.
»Dann kriege ich keine Illustreifen und keine Spiele mehr rein.«
»Und du kannst auch nicht mehr an unserer Datenbasis herumpfuschen. Wenn du willst, besorge ich dir Festkopien. Bücher und solche Sachen.« Sein Mund zuckte. »Noch was. Ich will nicht, daß du diese Kabine verläßt. Das dürfte dir ja kaum was ausmachen, weil du sowieso nie rausgehst.«
Maria schaute in seine roten Augen. Zorn zuckte in ihren Nerven. Das war alles so verdammt unsinnig , dachte sie. Es war ausgeschlossen, daß er die Abrazo wieder auf planmäßigen Kurs brachte, indem er verhinderte, daß sie sich amüsierte.
»Ich will was zu tun haben, Schiffsführer.« Marco lächelte nur. »Denk einfach darüber nach, wie wir ganz schnell zur Engelstation kommen. Das ist deine Aufgabe. Mehr brauchst du gar nicht zu tun.«
Die Runaway war von Stille erfüllt, eine langgestreckte Insel im Nichts, die nur von Ubu und einem weißen Kater bewohnt war, zwei bedeutungslosen Stücken organischen Abfalls, die in einer riesigen Metallschachtel klapperten. Ubu führte Reparaturen durch, baute neue Apparate und rief einen der neuen Illustreifen auf, die er auf Bezel gekauft hatte. Nach einer Stunde ertappte er sich dabei, wie er mit den Zähnen knirschte, während die Holofiguren unermüdlich fortfuhren, Intrigen zu schmieden, zu vögeln oder zu sterben, alles mit der gleichen Hingabe an die Diktate von Schema F. Ubu stellte den Illustreifen auf endlose Wiederholung und verließ den Raum zu einer weiteren ziellosen Rundfahrt mit der Zentrifuge.
Er marschierte auf und ab und wartete darauf, daß etwas passierte, während das Schiff um ihn herumrollte. Nichts geschah.
Selbst der Schiffsgeist war verschwunden.
Er wollte nicht an Maria denken. Er konnte nicht vergessen, wie seine Knöchel gegen ihre Wangenknochen gekracht waren, wie die blauen Flecken auf ihrer durchscheinenden Haut erblüht waren, wie eine Druckwelle
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